RotFuchs 224 – September 2016

Stimmen aus aller Welt über die DDR
(Folge 3)

RotFuchs-Redaktion

Solange der sozialistische deutsche Staat, die DDR existierte, haben sich immer wieder Persönlichkeiten aus der ganzen Welt bei oder nach Besuchen über die DDR geäußert. Zum 30. Jahrestag am 7. Oktober 1979 hat die Auslandspresseagentur Panorama DDR über hundert solcher Stellungnahmen in einem Buch vereint. Entstanden ist so ein Mosaik persönlicher Erfahrungen und Erkenntnisse, die jeweils ein Stück gesellschaftlicher Wirklichkeit widerspiegeln. Stellvertretend für die anderen werden wir in den nächsten Monaten einige dieser Äußerungen veröffentlichen – Älteren zur Erinnerung, Jüngeren zur Verdeutlichung dessen, was die DDR für die Welt – und für uns – war.

Hofrat Prof. Friedrich Epstein

1979 Präsident der Gesellschaft Österreich–DDR

Aus vielerlei Gründen ist das Verhältnis, das wir Österreicher zur Deutschen Demokratischen Republik haben, von ganz besonderer Art und unterscheidet sich von demjenigen, das Angehörige anderer Völker und Nationen zum ersten soziali­stischen deutschen Staat haben.

Die bevorstehende 30. Wiederkehr des Jahrestages der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik bietet mir eine willkommene Gelegenheit, ein paar Worte über eine Seite der Realität des gesellschaftlichen Lebens in der DDR zu sagen, die im Hinblick auf die Gemeinsamkeit der Sprache und vieler historischer Überliefe­rungen gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann, auch für die Tätigkeit un­serer Freundschaftsgesellschaft. Ich meine damit die Pflege des deutschen humani­stischen Kulturerbes in der DDR.

Als sich vor viereinhalb Jahrzehnten die Nacht des Faschismus erst auf Deutsch­land niedersenkte und im zweiten Welt­krieg der deutsche Name zum Schrecken unter den Völkern Europas wurde, da war für viele Menschen der Begriff des Deut­schen auf jedem Gebiet geradezu gleich­bedeutend mit Barbarei und Unkultur. In der Tat konnte zu dieser Zeit gesagt werden, daß aus dem Volk der „Dichter und Denker“ ein Volk der „Richter und Henker“ geworden sei. Es konnte auch nicht wundernehmen, daß diese Einstel­lung vielerorts auch den Zusammenbruch Hitlerdeutschlands und die Niederlage des Faschismus überdauerte.

Auch dieses Erbe, neben jenem der Ruinen und Trümmer, mußte vor nun­mehr 30 Jahren die neugegründete Deut­sche Demokratische Republik überneh­men. Aber so wie es ihr gelang, binnen kurzem der Welt zu zeigen, daß es in diesem Teilgebiet des ehemaligen Deut­schen Reiches möglich war, die materiellen Strukturen einer unheilvollen Vergangenheit zu überwinden, konnte sie ebenso beweisen, daß sie zu einer geistigen „Wiedergutmachung“ im eigentlichsten Sinne willens und imstande war. Und so stehen wir heute vor der Tatsache, daß nicht irgendeine elitäre Schicht, sondern die Arbeiter und Bauern, die werktätige Intelligenz und die fortschrittlichen Künstler, die Erbauer des Sozialismus und der sozialistischen deutschen Nation, sich als Hüter, Bewahrer und Wiedererwecker der großen humanen und humanistischen Traditionen deutscher Kultur- und Gei­stesgeschichte erwiesen haben und erwei­sen. Sie sind es, die der Welt vor Augen führen, wie das Erbe Goethes und Schil­lers, Lessings und Herders, Hegels und Fichtes, Marx’ und Engels’, Heines und Herweghs lebt und wirkt. Vor allem aber – und auch das ist neu in der deutschen Geschichte: nicht museal und steril wird das Kulturgut der Vergangenheit konser­viert, sondern es wird zur lebendigen Wirklichkeit des gesellschaftlichen Lebens gestaltet. Auch den einfachen Menschen ist nun Gelegenheit gegeben, sich das Kulturgut der Vergangenheit, dessen eigentlich legitime Erben sie sind, an­zueignen und ihr Leben damit zu berei­chern.

Wer, wie ich, in der DDR zu sehen Gelegenheit hatte, wie das Publikum bei Theateraufführungen der Klassiker und der Moderne, bei Konzerten, in denen die Musik Bachs und Schütz’ und Händels erklang, beschaffen war und wie es das Gebotene aufnahm, der kann sich der Er­kenntnis nicht entziehen: In diesem Land werden dem wertvollsten geistigen Besitz der Nation neue Dimensionen erschlossen, es erfolgt die eigentliche Besitzergreifung durch das Volk.

Ob es sich um die Wiedererrichtung zerstörter Kulturdenkmäler, um die Pflege der Gedenkstätten deutscher Klassik, die Verbreitung der Schriften der Klassiker, um die Musikpflege oder die Musik­ausbildung handelt – hier wird laufend ein großes humanistisches Werk getan, ein Werk, welches dauern wird, und von dem man nur hoffen kann, daß es auch als Beispiel wirken möge.

Amadou Mathar M’Bow

Amadou Mathar M’Bow

Generaldirektor der UNESCO (1974–1987)

In Verbindung mit den besten Wün­schen für die Zukunft der DDR möch­te ich darauf verweisen, daß die DDR im November 1972, noch vor der Aufnahme in die Organisation der Ver­einten Nationen, Mitglied der UNESCO wurde. Es wurde sofort eine Kommission der Deutschen Demokratischen Republik für die Verbindung mit den Nationalen Kommissionen der UNESCO in ande­ren Ländern gebildet. Darin sehe ich einen Beweis für das große Interesse, das die DDR der Erziehung, der Wissen­schaft, der Kultur und der Information in der modernen Welt entgegenbringt, sowie eine Anerkennung der entschei­denden Rolle, die der UNESCO auf die­sen Gebieten zukommt. Von ihrem Beitritt zur Organisation an trug die DDR zur Verwirklichung der großen zwischenstaatlichen Programme über wissenschaftliche Zusammenarbeit bei. Dabei denke ich vor allem an das Internationale Hydrologische Dezennium, dem das Internationale Hydrologische Programm folgte, und an das Programm „Mensch und Biosphäre“, bei dem es um die Beziehung zwischen Mensch und Um­welt und um die rationelle Nutzung und Erhaltung der Naturreichtümer geht.

Außerdem war die DDR ausschlagge­bend an der Vorbereitung und an den Ar­beiten der II. Konferenz der Minister für Wissenschaft und Technik (der UNESCO-Mitgliedstaaten der Region Europa und Nordamerika) beteiligt.

Was die Erziehung betrifft, so hat sich die Zusammenarbeit zwischen der DDR und der UNESCO auf den großen, alle zwei Jahre stattfindenden Konferenzen über Erziehung, die vom Internationalen Büro für Erziehung in Genf veranstaltet werden, als besonders fruchtbar erwiesen. Darüber hinaus haben die DDR-Behörden Experten des Sekretariats eingeladen, die sich wiederholt an Ort und Stelle Auf­schluß über die Errungenschaften dieses Landes auf dem Gebiet des Unterrichts­wesens und der Entwicklung der Kultur verschafften. Die „Kulturpolitik der DDR“ wurde in einer Broschüre, die die UNESCO im Jahre 1975 in der Serie „Politiques culturelles: Etudes et documents“ heraus­gab, behandelt.

Entsprechend der Bedeutung, die die intellektuellen und wissenschaftlichen Kreise der DDR der Entwicklung der in­ternationalen Zusammenarbeit beimessen, hat ihre Delegation auch zur zwanzigsten Tagung der UNESCO-Generalkonferenz im November 1978 einen äußerst wert­vollen Beitrag geleistet.