RotFuchs 211 – August 2015

Zur Legende von der Einschränkung
bundesdeutscher Rüstungsexporte

Verdoppelung bei reinen Kriegswaffen

RotFuchs-Redaktion

Die BRD ist – trotz lautstark propagierter vorjähriger Rückläufigkeit der Geschäfte – nach wie vor einer der Hauptwaffenexporteure der Welt. 2014 genehmigte die Merkel-Regierung bei Zuständigkeit ihres Wirtschaftsministers Sigmar Gabriel (SPD) abermals Rüstungslieferungen im Wert von 6,5 Milliarden Euro. Der Export reiner Kriegswaffen – dabei handelt es sich um Panzer, U-Boote und Artilleriegeschütze – verdoppelte sich sogar auf 1,8 Mrd. Euro. 60,5 % des Kriegsgeräts gingen in sogenannte Drittländer, die weder der EU noch der NATO angehören. An der Spitze der Bezieher von Mordgeräten aus der BRD lag Israel, auf Platz 6 mit Saudi-Arabien ein weiterer Menschenrechtsvorkämpfer und „Friedensstifter“.

Unterdessen kündigte die für das Kriegsressort zuständige Ministerin von der Leyen eine größere militärische Eigenständigkeit der BRD gegenüber der EU und den USA an. Wie sie wissen ließ, wird die Bundeswehr als Ersatz für ihre „Patriot“-Luftabwehrbatterien fortan das System „Meads“ kaufen. Es wird von einem Konsortium unter starker bundesdeutscher Beteiligung hergestellt, während die „Patriot“-Systeme vollständig aus den USA bezogen werden mußten. Die Kosten sollen sich auf rund vier Milliarden Euro belaufen. Weitere vier Milliarden Euro sind bereits in das Projekt investiert worden.

Überdies wird die bundesdeutsche Kriegsmarine vier Mehrzweckkampfschiffe MKS 180 erhalten. Dafür müssen ebenfalls vier Mrd. Euro bereitgestellt werden.

Weitere Rüstungsvorhaben wie ein deutsch-französisches Kampfpanzerprojekt dienen der Verschmelzung der diesbezüglichen EU-Industrien oder zielen wie die „Euro-Drohne“ darauf ab, von US-Waffenschmieden unabhängiger zu werden.

Eine ganz maßgebliche Rolle in den Rüstungsexport-Plänen der BRD spielen sogenannte Kleinwaffen wie Maschinenpistolen und Sturmgewehre, die wegen ihrer vergleichsweisen „Harmlosigkeit“ kaum Erwähnung finden. Dabei kommt ihnen eine zentrale Rolle in fast 50 Bürgerkriegen und Kriegen, die weltweit stattfinden, zu. Nach Angaben von UNICEF sterben durch diese Waffen jedes Jahr etwa 500 000 Menschen. Das sind rund 90 % der Opfer gewaltsamer Konflikte.

Es gibt heute wohl kaum eine Krisenregion in der Welt, wo nicht Kleinwaffen „Made in Germany“ zum Einsatz gelangen. Vor allem das hochmoderne Sturmgewehr G 36 des süddeutschen Rüstungskonzerns Heckler & Koch (H & K) ist ein Exportschlager ersten Ranges. „Mit Waffen von H & K wurden meine Brüder getötet. Wir wollen sie lebend zurück“, schrieben Angehörige der in Mexiko verschleppten 43 Studenten auf ihre Transparente, als sie Ende Dezember 2014 vor der BRD-Botschaft demonstrierten. Nach dem blutigen Massaker in Iguala beschlagnahmten die Ermittler bei der örtlichen Polizei u. a. 36 Gewehre von H & K, obwohl deutsche Waffenexporte in den mexikanischen Bundesstaat Guerrero verboten sind.

Im Jahr 2012 erteilte die Bundesregierung Ausfuhrgenehmigungen für Gewehre und andere Kleinwaffen im Wert von 76,15 Millionen Euro. 2006 hatte H & K beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle den Export von G-36-Gewehren nach Mexiko beantragt. Im Jahr darauf war der Verkauf von rund 9500 Gewehren durch die Bundesregierung genehmigt worden, wobei vier mexikanische Bundesstaaten – darunter Guerrero – wegen der dort „zugespitzten Menschenrechtslage“ ausgeklammert wurden. Dennoch gelangte etwa die Hälfte der Waffen in die gesperrten Provinzen.

Als Sigmar Gabriel am 8. Oktober 2014 vor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik verkündete, „die Sicherung der wehrtechnischen Industrie in Deutschland“ könne nicht „durch die Lockerung des deutschen Exportregimes erfolgen“, fügte er im gleichen Atemzug hinzu: „Die Erhaltung der Bündnisfähigkeit und der dazu notwendigen rüstungstechnologischen Kernkompetenzen sind ein zentrales außen- und sicherheitspolitisches Interesse der Bundesrepublik Deutschland.“

Circa 100 000 Deutsche arbeiten für den Export von Kriegsgütern. Wir verdienen daran …, und wir wundern uns dann, wenn einige Opfer von Gewalt an unsere Tür klopfen“, sagte der katholische Kardinal Rainer Woelki in seiner jüngsten Silvesterpredigt im Kölner Dom.

RF, gestützt auf „German Foreign Policy“ (Newsletter vom 10. 6. 2015), „Die rote Spindel“, Nordhorn, und „Sozialismus“, Hamburg