RotFuchs 222 – Juli 2016

Vom 7. Parteitag der
Kommunistischen Partei Kubas

Marcel Kunzmann

Vom 16. bis zum 19. April tagte in Kubas Hauptstadt Havanna der 7. Parteitag der regierenden Kommunistischen Partei (PCC). Bei der alle fünf Jahre stattfindenden Zusammenkunft wird nicht nur die politische und wirtschaftliche Generallinie des Landes neu abgesteckt, sondern es werden traditionell auch wichtige personelle Entscheidungen getroffen. Zuletzt wurde im Jahr 2011 mit den „Lineamientos“, den Leitlinien zur Wirtschafts- und Sozialpolitik, ein 313 Punkte umfassendes Reformprogramm verabschiedet, das Kubas Sozialismus für das  21. Jahrhundert fit machen soll. Der Parteitag stand ganz im Zeichen der Fortsetzung dieser Reformen. „Kontinuität ohne Eile“ war das Motto („Stillstand“ die Interpretation anderer).

7. Parteitag der PCC in Havanna

7. Parteitag der PCC in Havanna

Präsident Raúl Castro, der 2011 auch den Posten seines Bruders Fidel als KP-Generalsekretär übernahm, eröffnete den Kongreß mit einer mehrstündigen Rede, die zu den wichtigsten programmatischen Dokumenten des Parteitags gehört. Er bekräftigte zwei Grundprinzipien der aktuellen Wirtschaftsreformen: 1.) Niemand wird zurückgelassen, 2.) keine „Schocktherapien“ wie in Europa. „Die neoliberalen Formeln, die eine schnelle Privatisierung des staatlichen Eigentums und der sozialen Dienste vorsehen, werden niemals im kubanischen Sozialismus angewandt werden. … Die Entscheidungen in der Wirtschaft dürfen unter keinen Umständen einen Bruch mit den Idealen von Gleichheit und Gerechtigkeit der Revolution bedeuten.“

Castro verwies auf Defizite bei der Umsetzung einiger Reformen wie der Unternehmensreform und den Landwirtschaftsreformen. Fehlentwicklungen müßten bereits im Keim erkannt werden, sonst könnten sie zu „politischen Problemen“ werden, wie beispielsweise die Preisentwicklung auf den Bauernmärkten in den letzten Jahren. Der staatliche Durchschnittslohn stieg zwischen 2010 und 2015 um 43 Prozent an, trotzdem seien die Löhne unzureichend, um die Grundbedürfnisse der Bevölkerung zu befriedigen. Die Beschäftigung im Staatssektor ging von 81,2 Prozent (2010) auf 70,8 Prozent (2015) zurück, etwa 500 000 Kubaner sind derzeit im Privatsektor als „Arbeiter auf eigene Rechnung“ (Cuentapropistas) tätig. Dort gelte es, die bestehenden Gesetze einzuhalten und gegen jede Erscheinung von Korruption und Illegalität vorzugehen.

Das durchschnittliche jährliche BIP-Wachstum lag in den Jahren 2011 bis 2015 bei 2,8 Prozent. Dies sei jedoch noch „nicht ausreichend, um die notwendigen produktiven und infrastrukturellen Bedingungen für die weitere Entwicklung des Landes zu schaffen“.

Trotz schwieriger internationaler Lage seien aber auch bedeutende Erfolge erzielt worden. So gelang es, die Kreditwürdigkeit sowie die Ordnung der Schulden und externen Finanzen wiederherzustellen, was zu besseren Bedingungen für Handel und Investitionen geführt habe. Tourismus und Dienstleistungsexport wachsen. Diese Sektoren generieren derzeit mehr als die Hälfte der Deviseneinnahmen des Landes. Die Entwicklung der Landwirtschaft sei jedoch weiterhin unzureichend. Kuba importiert derzeit Lebensmittel im Wert von jährlich 2 Mrd. US-Dollar, von denen die Hälfte im Land hergestellt werden könnte.

Castro erklärte, daß es keine Restauration des Kapitalismus in Kuba geben wird. Das gesellschaftliche Eigentum der wichtigsten Produktionsmittel bleibe weiterhin die entscheidende Basis.

Der Generalsekretär forderte eine Amtszeitbegrenzung von zweimal fünf Jahren für alle Führungspositionen in Partei und Staat. Darüber hinaus sollen weitere Altersbeschränkungen eingeführt werden: 60 Jahre als maximales Eintrittsalter für das Zentralkomitee, 70 Jahre für das Politbüro. Raúl Castro bekräftigte seinen eigenen Rücktritt als Präsident im Jahr 2018.

Raúl Castro unterstrich die bisherige Verteidigungsstrategie vom „Krieg des ganzen Volkes“ im Falle eines Angriffs. Solange der Imperialismus existiere, sei Wachsamkeit geboten. Er betonte die Bedeutung der lateinamerikanischen Integration und hob insbesondere die CELAC-Gründung 2011 sowie den letzten Amerika-Gipfel in Panama hervor.

Die Annäherung zwischen Kuba und den USA fordere Wachsamkeit „wie nie zuvor“, da sich lediglich die Methoden, nicht jedoch die Ziele der USA geändert hätten. An anderer Stelle sagte Castro: „Wir sind weder naiv, noch ignorieren wir die mächtigen äußeren Kräfte, die auf das setzten, was sie ,empowerment‘ der nichtstaatlichen Unternehmensformen nennen, und was den Zweck verfolgt, Agenten des Wandels zu schaffen, in der Hoffnung, der Revolution und dem Sozialismus auf anderen Wegen ein Ende setzen zu können.“ Kuba werde auch weiterhin keine Einmischung in innere Angelegenheiten tolerieren und keinerlei Prinzipien verhandeln.

Raúl Castro verwies auf Kubas internationales Engagement und die Solidarität mit Venezuela, Brasilien, Ecuador, Bolivien, Nikaragua und anderen Staaten. Er übte scharfe Kritik an der NATO und an der Westausdehnung Richtung Rußland. In bezug auf die europäische Flüchtlingskrise sagte er: „Die Flüchtlingswelle in Europa bewegt das Gewissen der Menschheit. Sie ist die Folge der ausländischen Interventionen, der vom Ausland provozierten Kriege und der Unterentwicklung. Doppelmoral und Heuchelei zeigen sich in der Behandlung der Menschenrechte, in der Zunahme der Fremdenfeindlichkeit, im Rassismus und der Diskriminierung der Einwanderer wie auch in der Zunahme neofaschistischer Kräfte.“

Das Konzept der Einheitspartei, so der Generalsekretär, bringe auch entsprechende Verpflichtungen für die Partei mit sich: „Die Existenz einer einzigen Partei setzt voraus, daß man den breitestmöglichen und ehrlichen Meinungsaustausch fördert, sowohl innerhalb der Parteiorganisation als auch in ihrer Verbindung zur Basis und der Bevölkerung. Die Partei hat die Pflicht, ständig unsere Demokratie zu stärken, weswegen es unerläßlich ist, falsche Einmütigkeit, Formalismus und Verstellung zu überwinden.“

Interessant ist die Zusammensetzung des neuen Zentralkomitees, das von 116 auf 142 Sitze erweitert wurde. Ein Viertel der bisherigen Mitglieder wurde ersetzt, 55 neue kamen hinzu – ebenfalls alle jünger als 60 Jahre (Durchschnittsalter: 54,5 Jahre).

98 Prozent verfügen über einen Hochschulabschluß. Der Frauenanteil wurde im Vergleich zu 2011 von 41,7 Prozent auf 44,4 Prozent gesteigert. Auch der Anteil der Afrokubaner hat sich von 31,3 auf 35,9 erhöht. Das bisher 14köpfige Politbüro wurde auf 17 Sitze erweitert. Alle fünf neu gewählten Mitglieder sind jünger als 60 Jahre, drei von ihnen weiblich.

Spätestens in fünf Jahren wird Raúl Castro von seinem Amt als Generalsekretär zurücktreten. Dafür stellte der Parteitag die Weichen. Er betonte das Projekt der Aktualisierung des kubanischen Sozialismus. Der Kern besteht weiterhin in der Umsetzung der 2011 verabschiedeten Reformen, die auf eine gemischte Wirtschaft unter Beibehaltung der zentralen Planung und des staatlichen Eigentums der wichtigsten Produktionsmittel abzielen.

In einigen Jahren soll die neue kubanische Realität in eine Verfassungsreform gegossen werden, die das politische Testament der revolutionären Generation, welche die kubanische Revolution in der Sierra Maestra erkämpft hat, bilden wird. Die Grundlagen für eine fließende Übergabe der Kommandostäbe an die nächsten Generationen gelegt zu haben, dürfte auf lange Sicht zu den wichtigsten Ergebnissen des 7. Parteitags zählen.