RotFuchs 211 – August 2015

Wie die Sowjetunion dem republikanischen Spanien zu Hilfe kam

Vom Heldenmut der Blockadebrecher

Cilly Keller

Im 70. Jahr nach dem Sieg über den Faschismus ist es an der Zeit, einmal ausführlicher über die Hilfe der Sowjetunion für die von Franco, Hitler und Mussolini angegriffene Spanische Republik zu berichten. Die Unterstützung der UdSSR war sehr umfangreich und betraf sowohl humanitäre als auch militärische Bereiche.

Bereits am 2. August 1936 fanden in der Sowjetunion in vielen Betrieben Solidaritätskundgebungen für das spanische Volk statt. Am 3. August eröffnete der Sekretär des Zentralrats der Sowjetgewerkschaften, Nikolai Schwernik, eine Kundgebung von Tausenden Moskauern. In Leningrad versammelten sich Hunderttausende, ebenso in Rostow am Don, in Dnepropetrowsk, in Kiew, in Nowosibirsk, Omsk, Odessa und vielen anderen Städten. Überall beschlossen die Werktätigen einmütig, Geld, Kleidung und Nahrungsmittel für einen Hilfsfonds zugunsten der Spanischen Republik zu sammeln. Viele spendeten die Hälfte ihres Monatslohnes.

Am 6. August 1936 befand sich im Spanien-Hilfsfonds des Zentralrats der Allunionsgewerkschaften bereits eine Summe von 12 145 000 Rubel. Sie wurden in französische Valuta umgetauscht, was ca. 36 435 000 Franc ergab. Weitere Sammlungen folgten.

Am 11. September 1936 wurde auf einer Sitzung des ZK der KPdSU beschlossen, das erste Schiff mit Lebensmitteln nach Spanien zu schicken. Das Volkskomitee für Außenhandel wurde beauftragt, für die Kinder der Arbeiter Spaniens 1500 t Zucker, 500 t Öl, 300 t Margarine, 250 t Gebäck, 300 t Konserven, 100 t Kondensmilch und 50 t Bonbons nicht später als am 18. September im Hafen von Odessa zur Verladung bereitzustellen.

An diesem Tag stieß die „Newa“ unter Kapitän Korenewski von Odessa aus in See. Sie kam am 26. September in Alicante an. Als das Schiff dort anlegte und auf dem Fockmast die spanisch-republikanische Fahne aufgezogen wurde, hallten Begrüßungsrufe über die ganze Uferstraße. Die „Newa“ besuchten Delegationen spanischer Arbeiter, Frauen und Kinder. Zügig wurde das Schiff von den spanischen Hafenarbeitern entladen, damit die Produkte bald jene Gebiete erreichten, wo sie dringend gebraucht wurden.

Sowjetische Militärberater waren bereits im August 1936 und die ersten Schiffe mit Waffen- und Munitionsladungen einen Monat später auf dem Weg nach Spanien. Schon kurze Zeit nach der Tagung des die Faschisten begünstigenden westlichen Nichteinmischungskomitees, das am 9. September 1936 in London zusammengetreten war, begann die UdSSR mit der logistischen Planung ihrer militärischen Hilfe für Madrid. Am 29. September wurde in einer Beratung des Politbüros der KPdSU mit der Leitung des Volkskommissariats für Militär- und Marineangelegenheiten der UdSSR die Geheimoperation „X“ eingeleitet. Dabei ging es um aktive Militärhilfe für das republikanische Spanien.

Am 4. Oktober 1936 legte die „Komsomol“ mit einer Waffenladung im Hafen Feodossija ab und erreichte am 12. Oktober Cartagena. Mitte 1938 waren Spaniens Goldreserven durch von Madrid getätigte Waffenkäufe aufgezehrt. Auf Bitten der Spanischen Republik gewährte ihr die UdSSR noch im Dezember 1938 einen Kredit in Höhe von 100 Millionen Dollar.

Im ersten Novemberdrittel jenes Jahres wandte sich Finanzminister Negrin an Stalin und bat ihn, für weitere Waffenlieferungen großen Umfangs zu sorgen. Es ging vor allem um Panzerabwehrkanonen, leichte und schwere Maschinengewehre, Jagdflugzeuge, Bomber, Panzer, Küstenschutzschiffe und Torpedoboote. Stalin und der sowjetische Verteidigungsminister Woroschilow akzeptierten die Wunschliste ohne Einschränkungen und vereinbarten, daß Madrid eine Anleihe für die gesamte Summe des Wertes der Waffen zu gewähren sei.

Vom 15. Dezember 1938 bis zum 15. Februar 1939 verschickte die Sowjetunion Waffen und Militärtechnik von Murmansk aus nach Frankreich. Am 6. Dezember 1938 hatten das faschistische Deutschland und die französische Regierung eine Freundschaftserklärung unterschrieben, so daß nur noch ein kleiner Posten Waffen über Frankreichs Grenze befördert werden konnte. Ein großer Teil mußte zurückgeschickt werden, andere Lieferungen wurden vernichtet. Anfang Februar 1939 erfuhr die Sowjetunion, daß viele ihrer Waffen in die Hände der Faschisten gefallen seien. Daraufhin erging folgende Weisung Stalins an Woroschilow: „Die Waffenlieferungen müssen eingestellt werden.“

Es gäbe noch andere Hintergründe der Entscheidung Moskaus aufzuzählen, so z. B. die Tatsache, daß sich die Rote Armee im Juli und August 1938 selbst in schwere Kämpfe mit kaiserlich-japanischen Truppen am Chassan Gol in der Mongolei verwickelt sah. Übrigens konnte die UdSSR erst ab 1932 Panzer und Flugzeuge in Serie produzieren. Es fehlte noch an einer ausgereiften Rüstungsindustrie und entsprechenden Fachkräften.

Unter diesem Aspekt ist die Unterstützung der Sowjetunion für das republikanische Spanien gar nicht hoch genug zu bewerten.

Wenden wir uns unmittelbar den sowjetischen Blockadebrechern und ihren Taten zu.

An der Ausarbeitung der Pläne für die Militärhilfe waren nicht zuletzt auch Mitarbeiter der sowjetischen militärischen und politischen Aufklärung beteiligt. Man schuf, wie bereits erwähnt, eine Abteilung „X“ und bezeichnete die gesamte Operation der militärischen Hilfe in gleicher Weise, während für die Schiffsfahrten die Benennung „Y“ galt. In Moskau zweifelte man nicht daran, daß der deutsche und italienische Geheimdienst auf der Pyrenäenhalbinsel äußerst aktiv sein würden und daß auch der britische Geheimdienst in die spanischen Ereignisse eingreifen könnte.

Insgesamt erfolgten in sechs Intervallen 71 Schiffsfahrten. Was das eingesetzte sowjetische Personal betraf, so wurden die besten und erfahrensten Kader der Militäraufklärung entsandt. Ihr Leiter war Jan Bersin, der in Spanien die Aufgabe des Hauptmilitärberaters der Republik innehatte. Er trug dort den Codenamen „General Grischin“.

Eine weitere Aufgabe war die Auswahl des Verladehafens. Einerseits sollte er nicht zu groß sein, um die Geheimhaltung zu garantieren und die Verladung abschirmen zu können. Andererseits mußte er über eine ausreichende Tiefe, Lagerkapazitäten und Verladeeinrichtungen verfügen. Überdies ging es um die Auswahl geeigneter Schiffe für Transporte schwerer Militärtechnik. Viele einstmals russische Einheiten der Flotte waren in den Jahren des Bürgerkrieges versenkt worden, so daß man anfangs auf jene Transporter zurückgreifen mußte, welche noch zur Verfügung standen. Unter ihnen befand sich der Holzfrachter „Stary Bolschewik“.

Von den 1936 gelieferten 650 000 Infanterie-Gewehren waren etwa 60 000 bereits vor 1917 hergestellt worden.

An Panzern fand man keine Herstellerkennzeichen sowjetischer Werke, in Flugzeugen gab es nur wenige Geräte mit Markierung. Die Waffenkisten erhielten Versandanschriften von fiktiven Empfängern in Frankreich, Italien, Deutschland und Belgien. Sie waren tief in den Laderäumen der Schiffe verstaut. Darüber legte man Persenninge und Abdeckungen aus Holz. Darauf schüttete man eine Tarnladung von Erzen, Getreide oder Kohle. Dies sollte eine schnelle Entdeckung bei Inspektionen durch Vertreter des Nichteinmischungskomitees oder bei Kontrollen durch faschistische Kriegsschiffe verhindern. Die Ladungen wurden ordnungsgemäß versichert, und die Schiffe begaben sich auf „offizielle Fahrt“.

Die Transporte aus den Schwarzmeerhäfen Odessa und Sewastopol führten zu den spanischen Mittelmeerhäfen Cartagena, Alicante, Valencia und Barcelona. Von der Ostsee aus gingen sie in die Biscaya-Häfen Santander und Bilbao. Das Anlaufen erfolgte in vorgegebener Reihenfolge und Entfernung. Man fuhr nicht im Konvoi und hielt in Höhe der spanischen Küste tagsüber einen Abstand von 80 bis 100 Kilometern ein. Im Schutz der Dunkelheit suchte man den Bestimmungshafen zu erreichen. Gefährliche Seegebiete, in denen die Faschisten patrouillierten, wurden nur nachts und mit gelöschten Lichtern durchfahren. Bug, Heck, Ausguck, Backbord und Steuerbord waren ständig mit Wachen besetzt, um den Horizont nach feindlichen Schiffen abzusuchen. Bestand keine Gefahr, drehte man in Richtung spanische Küste ab und fuhr einen der republikanischen Häfen an. Während die Waffenladungen von der Besatzung selbst vorgenommen wurden und ohne Zwischenlagerung ins Landesinnere abgingen, erfolgte die Löschung von Lebensmittelfrachten und anderen Solidaritätsgütern tagsüber durch spanische Hafenarbeiter.

Zusätzlich wurde ein getarntes Netz von Handelsagenturen außerhalb der Sowjetunion aufgebaut. Seine Mitarbeiter tätigten Waffenkäufe z. B. in den tschechischen Skoda-Werken, wobei die Fracht mit ausländischen Charterschiffen nach Spanien gebracht wurde.

Zusammenfassend ist zu sagen, daß insgesamt 686 Jagdflugzeuge, 335 Panzer, 30 Torpedoboote, 723 Kanonen, 508 Geschütze sowie 4 162 200 MGs und einfache Geweh-re nach Spanien geliefert wurden. Dort kämpften über 2000 sowjetische Freiwillige, von denen 157 ihr Leben ließen.

Noch ein Wort zu einem legendären sowjetischen Schiff, das eine besondere Rolle spielte: Die „Komsomol“ war 1932 im ersten sowjetischen Fünfjahrplan in Leningrad gebaut worden und entsprach allen Anforderungen jener Zeit. 1936 wurde Georgij A. Mesenzew zu ihrem Kapitän ernannt. Das Schiff fuhr auf der Route Odessa–Leningrad. Im Herbst 1936 war man gerade dabei, in Odessa eine Weizenladung an Bord zu nehmen. Eine neue Fahrt stand bevor, als unerwartet der Flottenchef an Bord erschien und den Kapitän aufforderte, den Weizen wieder zu löschen und in Feodossija eine Fracht des Volkskommissariats für Militärangelegenheiten an Bord zu nehmen. Dort angekommen, stellte sich heraus, daß es um Waffen und Munition für Spanien ging. Die Instruktionen für Kapitän Mesenzew lauteten: höchste Geheimhaltung; kein militärischer Begleitschutz; offiziell Kurs auf Mexiko, jedoch Abschwenken vor Gibraltar zur spanischen Küste; keine Begleitpapiere für die Ladung; Zielhafen ist Cartagena. Ein Vertreter des Volkskommissariats stellte allen Seeleuten frei, ohne jede Begründung an Land bleiben zu dürfen. Doch keiner blieb. Am 2. Oktober 1936 legte das Schiff im Rahmen der Operation „X“ ab. Vor Spaniens Küste bemerkten Besatzungsangehörige getarnte Kriegsschiffe der faschistischen deutschen Marine – die „Admiral Graf Spee“ und die „Lützow“.

Als die „Komsomol“ in Cartagena anlegte, kam der sowjetische Marineattaché Kusnezow an Bord und leitete die Entladung persönlich ein. Obwohl die Panzer hinter einer hohen Ziegelmauer aufgestellt wurden, sprach die ganze Stadt nur von ihnen. Die Bevölkerung jubelte, als sie durch die Straßen Cartagenas rollten. Viele Tausende waren zur Begrüßung des Schiffes erschienen, das der Republik jene Panzer brachte, welche die Faschisten dann vor Madrid zurückschlagen würden.

Die Nachricht vom Eintreffen der „Komsomol“ und ihrer besonderen Ladung drang natürlich auch zu den Faschisten. Sie setzten auf „Abrechnung“. Doch die Heimreise des Schiffes nach Odessa verlief unerwarteterweise ohne Zwischenfälle. Im Hafen wurde sofort eine neue Ladung übernommen: Autos, Benzin, Medikamente, Lebensmittel und Geschenke des sowjetischen Volkes. Jetzt hieß der Zielhafen Valencia. Der Empfang in Spanien war diesmal noch überwältigender. Zehntausende standen am Kai und jubelten der Besatzung zu. Viele Spanier hielten Rosensträuße für die Matrosen in Händen. Aus weit entfernten Dörfern kamen Bauern ans Schiff und brachten Kisten voller Mandarinen und Apfelsinen. Später wurden die sowjetischen Seeleute zu einem Fußballspiel gegen ein Team aus Valencia aufgefordert. 80 000 Menschen füllten die Ränge. Nach dem symbolischen Anstoß durch Kapitän Mesenzew skandierte das ganze Stadion: „Viva Rusia!“

Eine weitere Fahrt der „Komsomol“ erfolgte Anfang Dezember 1936. Bestimmungshafen war Gent in Belgien. Die Ladung bestand aus Manganerz. Es handelte sich um eine normale Fracht in ein neutrales Land. Doch es sollte die letzte Reise der „Komsomol“ werden. Am Abend des 13. Dezember näherte sich ihr auf freiem Meer ein Kriegsschiff. Es gab keine Erkennungszeichen. Als sich der sowjetische Frachter am nächsten Tag auf der Höhe von Algier befand, tauchte der faschistische Kreuzer „Canaris“ auf. „Stoppen Sie die Maschinen!“ wurde gefordert. Die Faschisten enterten das Schiff, beschlagnahmten dessen Papiere und die Pässe der Seeleute. Die Besatzung der „Komsomol“ wurde festgenommen und an Bord der „Canaris“ gebracht. Ihr Schicksal war ein einziges Martyrium. Nach Tagen in den Stahlkasematten des Kreuzers wurden sie in ein mittelalterliches Gefängnis an der Südwestküste Spaniens eingeliefert. Die Zellen waren finster, voller Ratten und Ungeziefer. Die darauffolgende Zeit kennzeichneten unvorstellbare Entbehrungen, brutale Verhöre und Demütigungen aller Art. Doch man konnte die sowjetischen Seeleute nicht brechen. Sie lernten, sich untereinander durch Morsezeichen über die Zellenwände zu verständigen.

Die Faschisten verurteilten die Matrosen zum Tode und steckten sie einzeln in Todeszellen. Mehrmals wurden sie in den Gefängnishof geführt, wo man Erschießungen simulierte. Später verlasen die Peiniger eine Erklärung, daß die Strafe durch „Francos Gnade“ in 30 Jahre Gefängnis umgewandelt worden sei. Nach zähen Verhandlungen der Sowjetregierung und des Internationalen Roten Kreuzes gelang es zunächst, 11 Seeleute zu befreien. Einen Monat später gelangten weitere 18 Besatzungsmitglieder auf freien Fuß. Drei von ihnen baten, als sie mit einem erneuten Hilfstransport in Valencia einliefen, als Freiwillige in Spanien bleiben zu können. Sie kämpften in der XII. Internationalen Brigade. Die letzten 7 Seeleute der „Komsomol“ mußten zwei Jahre und acht Monate in den faschistischen Folterkammern ausharren. Schließlich bekam sie Moskau im Austausch mit in der UdSSR inhaftierten Italienern frei.

Autoren: Cilly Keller und Reinhardt Silbermann