RotFuchs 217 – Februar 2016

Vorschläge des Stadtverbandes Strausberg der PDL zum BRD-Weißbuch 2016

Dipl.-Ing. Wolfgang Neidhardt, Generalleutnat der NVA a. D.

Ausgehend von der steigenden Gefahr für die Erhaltung des Friedens und im Zusammenhang mit der Erarbeitung des Weißbuches der Bundesrepublik Deutschland durch die Bundeswehr haben wir im Stadtverband der „Linken“ die beigefügten Vorschläge erarbeitet und dazu auch Diskussionsrunden organisiert. Wir bitten den „RotFuchs“, dieses Material zu veröffentlichen, um auch auf diesem Wege die Debatte über Fragen der Sicherheitspolitik und den Kampf zur Erhaltung des Friedens weiter voranzubringen.

Die derzeitige Lage in der Welt wird durch eine prinzipielle Veränderung des globalen Kräfteverhältnisses zugunsten der aufstrebenden BRICS-Staaten (Brasilien, Rußland, Indien, China, Südafrika) und den schrittweisen Verlust der Rolle der USA als alleiniger Führungsmacht charakterisiert. Die USA wirken dieser Entwicklung vorwiegend mit militärischer Gewalt und durch die Einbeziehung der von ihnen abhängigen Blockbündnisse entgegen. Dadurch entstehen internationale Spannungen, wächst die Gefahr für die Erhaltung des Friedens. Parallel dazu erkennen wir eine Rechtsentwicklung (Stärkung des Nationalismus, ja Faschisierung) in einigen Ländern Europas, darunter auch in der BRD, und teilweise auf weiteren Kontinenten.

Fatal ist mir um das Lumpenpack,
das, um Herzen zu rühren,
den Patriotismus trägt zur Schau,
mit all seinen Geschwüren.

Heinrich Heine

In dieser Situation haben die Großmächte Volksrepublik China, USA und Russische Föderation ihre Sicherheitspolitik neu geregelt und entsprechende Dokumente veröffentlicht. Mit der Entscheidung zur Erarbeitung eines neuen Weißbuches beabsichtigt auch die Bundesregierung, einen solchen Schritt zu tun.

Der Stadtverband der Partei Die Linke Strausberg lud zu einer Diskussionsrunde darüber ein. Die ortsansässigen anderen Parteien nahmen daran nicht teil, ein Vertreter der Bundeswehr war bei einer Veranstaltung zugegen und informierte im wesentlichen über den zeitlichen Ablauf. Der „Kampf um die Köpfe“ ist im Gange. Im Stadtverband der Linken wurden nachfolgende Vorschläge ausgearbeitet, dem Bundesverteidigungsministerium übergeben und auf dessen Website veröffentlicht.

Die Verhinderung von Kriegen und eines weltweiten Wettrüstens sollte als zentrales politisches Ziel festgelegt werden.

Die historischen Erfahrungen des vergangenen Jahrhunderts sowie die daraus entstehende Verantwortung zur dauerhaften Erhaltung des Friedens erfordern Schritte analog des Helsinki-Prozesses und des daraus abgeleiteten Schlußdokuments. Darin wurden von allen teilnehmenden Staaten Prinzipien zur friedlichen Gestaltung der zwischenstaatlichen Beziehungen, nuklearen Abrüstungsmaßnahmen sowie des KSZE-Prozesses anerkannt. Später kamen in diesem Sinne die Zwei-plus-vier-Verhandlungen und die Charta von Paris hinzu.

Diese Erfahrungen zeigen, daß sich grundlegende stabile friedliche internationale Beziehungen nur durch geduldige Verhandlungen auf der Grundlage der Gleichberechtigung und Beachtung der Interessen aller beteiligten Staaten erreichen lassen.

Der wichtigste Ansatz zur Bewältigung der neuen Gefahren und Herausforderungen muß daher eine vorausschauende Außenpolitik sein, die Krisen verhindert und die Destabilisierung anderer Staaten weder befördert noch zuläßt.

Das neue Weißbuch sollte daher als grundlegende Aufgabe für die Sicherheit auf einen ähnlichen Prozeß wie den Helsinki-Prozeß orientieren. Ziel der Außen- und Sicherheitspolitik sollte die in der Charta von Paris angestrebte gesamteuropäische Friedensordnung sein, die auch im Weißbuch der Bundesrepublik fest verankert werden müßte.

Als Urheber zweier Weltkriege trägt Deutschland eine besondere Verantwortung, die sich aus der Notwendigkeit der Sicherung des Friedens – besonders durch vertrauensbildende Schritte – ergibt. Hier sehen wir die gewachsene Verantwortung der Bundesrepublik gegenüber anderen europäischen Staaten, die zugleich auch von weltweiter Bedeutung ist.

Diesem Ziel sollten die Aufgaben der Bundeswehr dienen. Als deren erster Grundsatz muß gelten, daß die eigene Sicherheit nur bei Gewährleistung der Sicherheit der Gegenseite erreichbar ist, und zwar durch:

  • Die Nichtangriffsfähigkeit der Streitkräfte,
  • Verzicht auf Auslandskampfeinsätze,
  • Verzicht auf die Darstellung von Bedrohungsszenarien im Weißbuch,
  • Verzicht auf Überlegenheitsziele, auf die z. B. durch die Beschaffung von Drohnen und anderen Waffen orientiert wird.

Dieser Geist sollte den Inhalt des Weißbuches 2016 bestimmen.

Es ist noch nicht erschienen, die in der letzten Zeit eingeleiteten Maßnahmen der Bundesregierung lassen jedoch das Gegenteil des hier Geforderten erkennen. Das zeigt sich in

  • der Verstärkung der Bundeswehr in Mali;
  • der militärischen Beteiligung am sogenannten Antiterrorkampf gegen den IS durch Aufklärungsflugzeuge sowie den Einsatz von Kriegsschiffen;
  • der Verkündung eines verlängerten Bundeswehreinsatzes in Afghanistan.

Das angebliche Eingeständnis von Fehlern ist reine Demagogie! Ein Blick auf die Landkarte genügt! Dahinter stehen Interessen geostrategischer Art.

Unabhängig davon, ob diese gefährliche Entwicklung im Interesse der USA oder bestimmter Kreise der BRD erfolgt – sie ist eine Gefahr für den Frieden!

Dagegen sollten wir alle linken Kräfte für die Erhaltung des Friedens mobilisieren. Von besonderer Bedeutung ist dabei, die Ursachen und Zusammenhänge zu erkennen, wie Kriege gemacht werden und damit auch, wie sie verhindert werden können.

Der Aufruf führender Generale und Offiziere der NVA der DDR erfolgte in zeitlicher Nähe zum 60. Jahrestag der Bildung der NVA. Die Nationale Volksarmee der DDR war die einzige Armee Deutschlands, die nie einen Krieg führte. Darauf sind wir stolz. Die Erhaltung des Friedens ist und bleibt nach wie vor unser prinzipielles Anliegen.

Nutzen wir die Möglichkeiten aller linken Kräfte und zugleich auch die Kenntnisse und Fähigkeiten der ehemaligen Angehörigen der NVA, um gemeinsam den Frieden zu erhalten!