RotFuchs 225 – Oktober 2016

Was des Volkes Hände schaffen …

Dr. Karl Fischer

Unter diesem Titel hat Professor Horst Schneider ein Buch veröffentlicht zum Volksentscheid in Sachsen am 30. Juni 1946 über die Enteignung der Kriegs- und Naziverbrecher. Trotz der seither vergangenen 70 Jahre ist dieses Ereignis von durchaus aktueller Bedeutung. Unter dem Eindruck der verheerenden Folgen der Naziherrschaft und des von den deutschen Faschisten und ihren Förderern entfesselten Krieges gab es in ganz Deutschland die verbreitete Auffassung, daß eine neue wirtschaftliche und gesellschaftliche Ordnung geschaffen werden müsse, die für die Zukunft Frieden und Wohlergehen sichern sollte.

Das fand seinen Ausdruck in den Programmen und Beschlüssen der kommunis­tischen und sozialdemokratischen, aber auch christlich-demokratischer Parteien – und es entsprach dem erklärten Willen der Siegermächte, den deutschen Faschismus mit seinen Wurzeln auszurotten und zu verhindern, daß von Deutschland jemals wieder ein Krieg ausgehen würde.

In Sachsen, wo sich zu dieser Zeit mehr als 50 % der Industrie in der sowjetischen Besatzungszone (ohne Berlin) befanden, führten diese Forderungen im Juni 1946 zu einem Volksentscheid über die Enteignung der Kriegs- und Naziverbrecher, bei dem 77,62 % der Wahlberechtigten einer Enteignung zustimmten. Auch in Hessen stimmten im Dezember 1946 76,8 % für eine Sozialisierung der Schlüsselindustrien. In Berlin verabschiedete die Stadtverordnetenversammlung im Frühjahr 1947 entsprechende Gesetze. Ähnliche Bestrebungen gab es überall in Deutschland.

Während diese Entscheidungen in Sachsen und danach in ganz Ostdeutschland mit Unterstützung der Sowjetunion umgesetzt wurden, verbot die US-amerikanische Besatzungsmacht in Hessen deren Verwirklichung. Und auch in Berlin verhinderten die Westalliierten deren Umsetzung in den von ihnen besetzten Sektoren. Der Autor macht deutlich, daß die entsprechend dem Willen der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung im Osten erfolgte Schaffung des Volkseigentums und die darauf gestützte Arbeiter- und Bauern-Macht die wichtigsten Voraussetzungen dafür waren, daß über 40 Jahre von deutschem Boden kein Krieg mehr ausging. Zugleich hebt er hervor, daß sich hier mit der DDR trotz ungünstiger Ausgangspositionen und vielfältiger Störmaßnahmen des wieder erstarkten westdeutschen Imperialismus ein Staat entwickeln konnte, der zur Spitzengruppe der Industrienationen gehörte und soziale und demokratische Errungenschaften hervorbrachte, die zum Besten gehören, was in der deutschen Geschichte bisher geschaffen wurde.

Im schroffen Gegensatz dazu zeigt sich aus heutiger Sicht, daß da, wo die Groß­banken, Finanzinvestoren und Monopole fast alles besitzen, wo die Superreichen herrschen, Kriege wieder zum Mittel der Politik gehören, die Demokratie, Menschen- und Bürgerrechte immer weiter eingeschränkt werden und ein immer mehr Menschen erfassender Sozialabbau und rücksichtsloser Raubbau an der Natur betrieben wird. So drängt sich beim Lesen des Buches die Erkenntnis auf: Wer will, daß sich an den derzeitigen gesellschaftlichen Zuständen in diesem Land wirklich etwas ändert, der muß für eine grundsätzliche Veränderung von Wirtschaft und Gesellschaft im Interesse der Mehrheit der Bevölkerung eintreten.

Wer nicht will, daß die Welt in Chaos, Kriegen und Umweltkatastrophen untergeht, daß Millionen verhungern oder aus ihrer Heimat vertrieben werden, der muß heute mit den ihm gegebenen Möglichkeiten dazu beitragen, daß dem Imperialismus als dem Verursacher dieser Zustände die ökonomische Basis und die politische Macht entzogen werden. Wie die Entwicklung in der sowjetischen Besatzungszone und in der DDR bewiesen hat, gibt es durchaus eine Alternative zum Kapitalismus, eine Perspektive für die Gestaltung einer friedlichen und gerechteren Ordnung – wobei es dabei gilt, aus in der Vergangenheit gemachten Fehlern Lehren zu ziehen.

Daß die Basis dafür – genaue Kenntnisse von der deutschen Geschichte, besonders auch der Neuzeit – nicht in Vergessenheit gerät, dazu hat Professor Schneider mit seiner Schrift einen verdienstvollen Beitrag vorgelegt – wichtig vor allem für nachwachsende Generationen, die diese Zeit aus eigenem Erleben nicht mehr kennen.

Horst Schneider:

Was des Volkes Hände schaffen, soll des Volkes eigen sein
Der Volksentscheid über die Enteignung der Kriegs- und Naziverbrecher am 30. Juni 1946

Edition Freiberg, Dresden 2016, 92 Seiten
ISBN 978-3-943357-53-8

8,00 €