9. Mitgliederversammlung
des „RotFuchs“-Fördervereins

RotFuchs-Redaktion

Referat (leicht gekürzt)

Liebe Genossinnen und Genossen,

als wir vor zwei Jahren in diesem Saal zu unserer Mitgliederversammlung zusammenkamen, konnte Klaus Steiniger noch einige Stunden an ihr teilnehmen. Seine Krankheit schwächte ihn stark, aber er ließ es sich nicht nehmen, uns seinen Dank und Respekt zu bezeugen. Am 9. April 2016, etwa ein halbes Jahr nach unserer Mitgliederversammlung, ist er in Berlin gestorben.

Ich bitte Euch, daß wir seiner und vieler anderer Mitstreiter im „RotFuchs“-Förderverein, die in den vergangenen zwei Jahren von uns gegangen sind, gedenken und uns dafür von den Plätzen erheben.

Der „RotFuchs“ hat mit Klaus nicht nur seinen Begründer, sondern auch einen hervorragenden Publizisten und politischen Organisator der deutschen und der internationalen Arbeiterbewegung verloren. Er war oft dabei gewesen, wenn sich die Welt bewegte oder sogar veränderte, Klassenkämpfe sich zuspitzten und das in historischen Ereignissen sichtbar wurde. Seine Missionen zum Prozeß gegen Angela Davis und ins revolutionäre Portugal waren dabei für ihn die wichtigsten. Er war mit allen Fasern ein Internationalist, und die Frage, ob jemand ein mit dem Marxismus-Leninismus eng verbundener Internationalist ist, war für ihn entscheidendes Kriterium, um den betreffenden als Kommunisten oder Sozialisten zu bezeichnen. Auch Parteien bewertete er nicht nach deren Etikett, sondern danach, wie sie sich in dieser Frage verhielten – solidarisch, kameradschaftlich, im Sinne der internationalen kommunistischen und Arbeiterbewegung oder nicht. Diese Haltung war ihm in der DDR in Fleisch und Blut übergegangen, Internationalismus und Internationalisten wie er gehören zu dem Besten, was uns die DDR hinterlassen hat.

In diesem Sinn gründete und entwickelte Klaus den „RotFuchs“ – als Forum von Kommunisten und Sozialisten in Deutschland, ihn aber stets als Teil einer weltweiten Bewegung begreifend. Die feste Basis dieser größten marxistischen Monatszeitschrift Deutschlands waren für ihn Antifaschismus und der sozialistische Aufbau in der DDR, die das Beste war, was die deutsche Arbeiterbewegung bisher hervorgebracht hat, wie er oft geschrieben hat.

Die Befreiung vom Faschismus durch die Sowjetunion war die Voraussetzung für die Gründung der DDR. Das hat Klaus nie vergessen. Die DDR war ein Kind der deutschen Arbeiterbewegung und des Internationalismus. Sie erhielt im Kampf gegen einen übermächtigen Feind die Unterstützung der Kommunisten, der Sozialisten und Friedenskämpfer sozialistischer und kapitalistischer Länder, und gab im selben Geist vieles zurück. Sie half beim Aufbau in der von den US-Aggressoren furchtbar zerstörten Koreanischen Volksdemokratischen Republik, sie unterstützte den Kampf um Befreiung von kolonialer Unterdrückung in Algerien, Libyen, Palästina, auf dem afrikanischen, asiatischen und lateinamerikanischen Kontinent, sie unterstützte nach Kräften die kubanische Revolution, half dem ANC in seinem Kampf gegen das Apartheidregime, sie half dem vietnamesischen Volk, das ein US-General in die Steinzeit zurückbomben wollte, entsandte Helfer nach Afghanistan und in den Nahen Osten. Die Liste ist höchst unvollständig, und Ihr kennt sie alle. In diesem Geist der Völkerverständigung, des Friedens und der Achtung von Menschen aller Hautfarben und Herkunft wuchsen Millionen Menschen in der DDR in größter Selbstverständlichkeit auf. Ungezählt sind die Romane und Erzählungen, die Spielfilme, Fernsehproduktionen und Dokumentarfilme, die in der DDR diese Werte verbreiteten. Die DDR hatte mit „Volk und Welt“ einen eigenen Verlag, der im deutschsprachigen Raum sehr oft Stimmen von anderen Kontinenten zu Wort kommen ließ, die woanders im deutschsprachigen Raum nicht oder nur selten zu hören waren. Und jeder, der in der DDR gelebt hat, aber auch viele in der alten BRD haben die ersten Takte des Klavierkonzertes Nummer eins von Tschaikowsky im Ohr, mit denen in den Wochen am Jahresende die Solidaritätskonzerte des Deutschlandsenders bzw. von Stimme der DDR eingeleitet wurden: „Dem Frieden die Freiheit“. Ungezählt sind die Initiativen in Schulen, bei den Pionieren und in der FDJ, in der SED, den anderen Parteien und in den Gewerkschaften, unter Handwerkern und kleinen Gewerbetreibenden, den bewaffneten Organen und anderen Einrichtungen, die konkrete Hilfe leisteten – von Albert Schweitzers Hospital bis zu Millionen Rosen für Angela, vom Fernsprechamt in Hanoi und 20 Fischkuttern für vietnamesische Fischer in den 50er Jahren bis zur Ausbildung von Kämpfern des ANC und der SWAPO. Allein für Vietnam spendete die DDR-Bevölkerung zwischen 1965 und 1989 1,3 Milliarden DDR-Mark, die neben der staatlichen Hilfe, zu Krankenhäusern, Brücken, Straßen wurden oder in Gestalt von Nähmaschinen oder von ganzen Eisenbahnzügen im Bruderland ankamen.

Ich nenne das alles deswegen, weil wir gerade dies, die Solidarität als Teil des DDR-Alltags, als gelebten Internationalismus, als Teil des Kampfes um Frieden lebendig halten müssen.

Und wegen der Situation, in der wir den „RotFuchs“ herausbringen und in seinem Förderverein arbeiten. Die Konterrevolution von 1989/90 war mit einem ideologischen Generalangriff auf diese Ideale verbunden.

Die vergangenen zwei Jahre haben ihm einen neuen Schub gegen alle humanistischen, dem Frieden, der Demokratie und dem Sozialismus verpflichteten Menschen gegeben. Sie brachten einen neuen Tiefpunkt an Entsolidarisierung in diese Gesellschaft, wie das selbst unter imperialistischen Verhältnissen ungewöhnlich ist. Entsolidarisierung herrscht stets in dieser Gesellschaft der Konkurrenz, in der jeder seines nächsten Feind sein soll. Das ist ihr Fundament. Im Moment aber ist von oben verordnete Entsolidarisierung wieder einmal zu einem der wichtigsten Instrumente im Klassenkampf von oben geworden, international wie national: Alt gegen Jung, Ost gegen West, Nation gegen Nation. Das berührt uns unmittelbar, das bekommen wir auch im „RotFuchs“ zu spüren. Dort, wo Ausgrenzung von Mitstreitern verlangt wird, wo nicht das Kapital und seine politischen Organisationen der Hauptfeind sind, sondern andere Linke, wo nicht das Gespräch über Meinungsunterschiede gesucht wird, sondern nur schnelle Urteile gefällt werden, geschieht das vor diesem Hintergrund. Es ist unwahrscheinlich, daß sich in nächster Zeit unser Umfeld zu unseren Gunsten verändert, eher müssen wir vom Gegenteil ausgehen. Umso mehr sind wir dazu aufgerufen, den „RotFuchs“ und die Regionalgruppen seines Fördervereins nicht nur zu erhalten, sondern zu stärken, unsere Kontakte ständig zu erweitern, ohne an den marxistisch-leninistischen Grundlagen unserer Arbeit etwas zu ändern.

Das haben wir in den vergangenen zwei Jahren geschafft. Unser marxistisch-leninistischer Bildungsverein ist eine feste Größe im Ringen um klare Positionen im Friedenskampf und um antikapitalistische und antiimperialistische Haltungen. Das ist das wichtigste Ergebnis dieser zwei Jahre.

Laßt mich daher im Namen des Vorstands an dieser Stelle allen danken, die auch in schwierigen politischen Zeiten die kontinuierliche Arbeit der Regionalgruppen gewährleistet haben, die mit hohem persönlichem Engagement die „RotFuchs“-Veranstaltungen zur politischen Bildung, zum Austausch über brennende Fragen organisieren und zu wichtigen Ereignissen machen, die viele Genossinnen und Genossen innerhalb und außerhalb des Fördervereins nicht missen möchten. Allen Genossen und Freunden, die sich in der großen „RotFuchs“-Familie engagieren

  • den Vorständen der Regionalgruppen,
  • den Mitgliedern und Lesern,
  • den Autoren und Referenten,
  • dem Versandkollektiv aus den Berliner „RotFuchs“-Gruppen

sagen wir für ihre tatkräftige Unterstützung herzlichen Dank.

Danken laßt mich Bruni Steiniger und Wolfgang Metzger als verantwortlichem Redakteur des „RotFuchs“. Sie haben ihn seinerzeit mitbegründet und aus kleinen Anfängen heraus nun bald 20 Jahre mitgestaltet. Ohne die, sehr zeitaufwendige Arbeit beider, ohne die Kenntnisse beider, ohne den großen Erfahrungsschatz Wolfgangs als Verlagsredakteur, Korrektor, Layouter und vor allem auch als einem der besten Kenner unserer, der Kultur der Arbeiterbewegung, der Sowjetunion und der DDR, aber auch der Vertreter humanistischer Kultur in der BRD, wäre die Zeitschrift nicht das, was sie ist. Sie haben den allergrößten Anteil daran, daß wir den „RotFuchs“ ohne Unterbrechung und ganz im Sinne von Klaus weiterführen konnten.

Themen des politischen Weltgeschehens und der politisch-ideologischen Auseinandersetzung bestimmten die Inhalte der Zeitschrift und der Bildungsveranstaltungen in den Regionalgruppen.

Was war dabei am wichtigsten? Aus unserer Sicht:

  1. die Ursachen der steigenden Kriegsgefahr und der imperialistischen Raubzüge,
  2. das zwingende Erfordernis breiter Bündnisse der Friedenskräfte,
  3. der Zusammenhang von Militarisierung der Außenpolitik und Flucht, Vertreibung, Terrorismus,
  4. die Rolle Rußlands und der Volksrepublik China als Gegengewicht zur Kriegspolitik der USA und der NATO,
  5. die Wahrung des Erbes der DDR und Schlußfolgerungen für eine sozialistische Alternative zur herrschenden kapitalistischen Ordnung, die Beschäftigung mit der Geschichte der Arbeiterbewegung generell
  6. die Lehren der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution und ihre Bedeutung heute in der Auseinandersetzung mit der imperialistischen Welt,
  7. die marxistisch-leninistische Theorie und ihre Anwendung auf die heutige Weltlage und die Klassenkämpfe in diesem Land.

Unter dem Motto „Revolution hat Zukunft“ versammelten sich am 21. Oktober 500 Linke, darunter 100 junge Genossen, auf einer gemeinsamen Veranstaltung der DKP, des „RotFuchs“-Fördervereins und der SDAJ in Berlin und bekräftigten: Der 100. Jahrestag der Oktoberrevolution ist für uns Verpflichtung, gegen Krieg und Ausbeutung, für eine Welt des Friedens und der sozialen Sicherheit zu kämpfen.

Ich möchte einige Überlegungen zu diesen Themen vortragen.

An der Spitze stehen für uns alle zweifellos die wachsende Kriegsgefahr und das dringende Erfordernis, zu einer breiten Friedensbewegung beizutragen. Unter dem Motto „Eskalation stoppen! Atomwaffen ächten!“ findet heute ein bundesweiter Aktionstag statt, u. a. hier in Berlin am Brandenburger Tor. Den Forderungen, die dort erhoben werden „US-Militär abziehen! Friedensvertrag schließen! Atomwaffenfreie koreanische Halbinsel!“ schließen wir uns an. Wir bitten alle Mitglieder des Fördervereins, in ihren Orten in den nächsten Wochen und Monaten mit dafür zu sorgen, daß die Botschaften der Friedensbewegung möglichst viele Menschen erreichen. Die Zeit drängt. Es ist offensichtlich, daß in den imperialistischen Zentren Kräfte an die Macht streben, die einen Krieg mit Rußland und auch mit China anstreben und ihn aktiv vorbereiten. In den Medien wird öffentlich darüber spekuliert, ob Trump auf den Atomknopf drückt oder nicht.

Nur ein Beispiel: Im Laufe des Jahres 2018 werden die USA auf der Basis Redzikowo beim polnischen Slupsk, also keine 400 Kilometer von Berlin, ihr zweites Raketenabwehrsystem (nach Deveselu in Rumänien 2016) vom Typ Aegis mit SM-3-BlockIIA-Raketen in Dienst stellen. Rußland hat Gegenmaßnahmen angekündigt, demnach werden Iskander-Raketen im Gebiet Kaliningrad, also etwa 300 Kilometer von Slupsk entfernt, aufgestellt. Ich bin kein Fachmann, um zu beurteilen, ob wir damit in eine ähnliche Situation wie 1983 bei der sogenannten Nachrüstung der NATO geraten. Von ihr sagten Experten wie Egon Bahr später, es sei die gefährlichste Lage seit dem Zweiten Weltkrieg gewesen, gefährlicher als die sogenannte Kuba-Krise 1962. Wir stehen wahrscheinlich erneut kurz vor einer ähnlichen Situation.

Der Wille zum Krieg drückt sich aus in der Geschichte von Betrug, Täuschung und Hinhalten, mit der im Westen diese nun kommende Stationierung vorbereitet wurde, nämlich die Geschichte vom angeblich gegen den Iran gerichteten Raketenabwehrschirm. Die Publizistin Gabriele Krone-Schmalz hat in ihrem vor wenigen Wochen erschienenen Buch „Eiszeit. Wie Rußland dämonisiert wird und warum das gefährlich ist“ die Chronik dieses Täuschungsmanövers ausführlich und mit Quellenangaben dargestellt. Ihr nüchternes Fazit ist, daß die NATO heute anders als vor 50 Jahren nicht bereit ist, die eigene militärische Stärkung einerseits (die Gabriele Krone-Schmalz für legitim hält) und politische Entspannung mit dem Gegner andererseits gleichzeitig voranzutreiben, sondern Entspannung ausschließt: Die Interessen Rußlands werden vom Westen nach ihren Worten „von vornherein als illegitim“ betrachtet, „sei es im Fall der Raketenabwehr, sei es im Fall der NATO-Mitgliedschaft Georgiens und der Ukraine“. Gespräche dienten daher nicht dazu, „einen Kompromiß zu finden, sondern dazu, Rußland davon zu überzeugen, daß seine Bedenken entweder unbegründet oder unberechtigt sind“. Das heißt: Anders als vor 50 Jahren und in den Jahrzehnten bis zum Ende der Sowjetunion gibt es faktisch keine Verhandlungen. Auf Seiten der NATO wird das in die Begriffe Abschreckung und Dialog gekleidet statt wie seinerzeit in die Begriffe Sicherheit und Entspannung. Man wähnt sich in der Position des Stärkeren und zugleich des moralisch Höheren, des Guten. Es war nicht so dahingesprochen, als Barack Obama im März 2014 in Amsterdam von Rußland als einer „Regionalmacht“ sprach. Gemeint war: Die nehmen sich zuviel heraus, man muß sie in die Schranken weisen.

Es ist so weit gekommen, daß anders als 1983 keine „Koalition der Vernunft“ möglich ist – dafür fehlt im Westen diesmal der Partner. Der Deal-maker im Weißen Haus ist jedenfalls keiner – bislang höchstens auf nicht unwichtigen, aber kleineren Konfliktfeldern. Dafür ist die englische Vokabel „Deal“ – „Handel“ – durchaus angemessen, strategische Probleme lassen sich damit nicht lösen. Trump muß nicht, wie einige Genossinnen und Genossen offenbar meinen, vom Establishment umstellt sein, um die Politik zu betreiben, die er betreibt. Er umstellt sich fleißig selbst mit Milliardären und Generälen, Wall-Street-Bankern und Rüstungslobbyisten. Er war es, der u. a. den Rüstungsetat der USA um mehr als 10 Prozent erhöhen wollte, worauf der Senat noch mehrere Dutzend Milliarden Dollar drauflegte, so daß jetzt 700 Milliarden ausgegeben werden, mehr als 100 Milliarden mehr als im vergangenen Jahr.

Nicht nur die beschleunigte Aufrüstung des Westens ist ein Beleg für die Kriegsvorbereitung gegen Rußland und gegen China, das vom Pentagon bereits zum Hauptfeind erklärt wurde. Jede neue Bundesregierung wird diese Politik weiter betreiben, egal welche Farbenkombination die Medien verkünden. Insofern, nur auf die Frage von Krieg und Frieden gesehen, war die Bundestagswahl ein weiterer Schritt nach rechts. Die Bevölkerung wird von dieser Kernfrage abgelenkt, u. a. mit ständigen Nachrichten, was die sogenannten Sondierungsgespräche angeblich gerade ergeben haben. Inzwischen werden Fakten geschaffen. Die NATO teilte am 8. November mit, sie werde erstmals seit 1991 zwei neue Kommando- und Führungszentralen einrichten, die für einen Krieg gegen Rußland gedacht sind. Am 13. November wurde auf EU-Ebene ein Bündnis geschaffen, das sich Verteidigungsunion nennt, mit dem aber nur die Aufrüstung, also die Kriegsvorbereitung, effizienter gemacht werden soll – unter deutscher oder deutsch-französischer Führung versteht sich.

Die erhöhten Kriegs- und Rüstungsausgaben der USA, die allein wieder fast die Hälfte der weltweiten Ausgaben umfassen, schlagen sich auch in erhöhten Kriegsaktivitäten anderswo nieder. Ich will nur darauf hinweisen, daß seit der Erschießung von vier GIs in Niger am 3. Oktober verbreitet wird, der US-Senat habe nicht gewußt, daß US-Einheiten in Afrika kämpfen. Inzwischen wird deren Umfang auf 6000 Soldaten beziffert, darunter 1200 Spezialkräfte, also Einheiten, die darauf spezialisiert sind, Terroranschläge und Bürgerkriege anzuzetteln. Trump dürfte davon nicht nur gewußt haben, er dürfte die entsprechenden Einsatzbefehle gegeben haben. Nach Meinung von Experten betreiben die USA seit dem Jahr 2001 in den Sahel-Staaten systematisch Terror. Sie haben mit dem Libyen-Krieg, der allein der Ermordung Gaddafis diente, die Region endgültig destabilisiert, die Völkerschaften ähnlich wie im Nahen Osten gegeneinander ausgespielt, um ihre eigenen Pläne zu verfolgen: Zugriff auf Rohstoffe, Militärbasen, so wie die in Mali, auf der 1000 Bundeswehrsoldaten sitzen und sich nicht trauen, ihr Camp zu verlassen. Ob sie mehr Furcht vor der einheimischen Bevölkerung oder vor US-Spezialkräften haben müssen, ist offen. Der Kampf um Afrika, um seine Rohstoffe und um Land, wird jedenfalls längst mit Waffen auch zwischen imperialistischen Ländern ausgetragen, vor allem aber soll China zurückgedrängt werden, das ökonomisch und politisch in Afrika den Westen faktisch abgehängt hat.

Dank China und Rußland wird dem Expansionsdrang des Westens an einigen Stellen in der Welt Einhalt geboten. Das gilt hoffentlich für Korea ohne daß es zum Krieg kommt. Es gilt für das in Sicht kommende Ende des Krieges in Syrien, wo die russischen Streitkräfte den „Regime change“ wie im Irak oder in Libyen verhindert haben und wo nun die Aussicht besteht, daß die staatliche Integrität des Landes erhalten bleibt. Die Erklärung Wladimir Putins und Donald Trumps vom 10. November in Da Nang, daß der syrische Konflikt militärisch nicht gelöst werden kann, sowie das Bekenntnis zum Erhalt der staatlichen Einheit Syriens sind von Seiten der USA das Geständnis einer weitreichenden Niederlage. Die Vorgänge um den Libanon besagen aber, daß das ursprüngliche Ziel, Assad zu beseitigen, noch längst nicht aufgegeben wurde.

Ich bleibe bei der These, daß der Wandel des Kräfteverhältnisses in der Welt, der sich regional in solchen Erfolgen gegen den imperialistischen Krieg niederschlägt, revolutionäre Züge trägt. Verglichen mit der Ausgangssituation von 1991, mit den USA als „einziger Weltmacht“, wie ein Buchtitel Zbigniew Brzezinskis 1997 lautete, hat sich die Lage gründlich gewandelt.

Der wiedererstarkte deutsche Imperialismus, seine Politiker und Medien tun allerdings alles, damit dieser Wandel nicht ins Bewußtsein der deutschen Bevölkerung dringt. Es ist ein Phänomen besonderer Art, daß es im diesjährigen Bundestagswahlkampf gelungen ist, das Thema Krieg und Aufrüstung fast völlig auszuklammern. Die Bürgermedien setzen alles daran, so zu tun, als gebe es die 15 laufenden deutschen Auslandseinsätze und vor allem die deutsche Beteiligung an Kriegen nicht. Nach den Wahlen allerdings startete die Bundeswehr die Mali-Werbekampagne, in der Soldaten im Internetfernsehen erstmals aus dem Ausland über „deutsche Werte“, die sie dort vertreten (so „Bild“), berichten. Die Nachrichten über verstärkte Aufrüstung gegen Rußland folgen seit dem 24. September fast im Wochentakt.

Wir sehen uns einem dritten Anlauf des deutschen Monopolkapitals gegenüber, um einen „Platz an der Sonne“ zu erringen. Das ist der Hintergrund für den eingangs erwähnten Schub nach rechts. Er hat seinen Ursprung in der Konterrevolution in der und gegen die DDR, in der Deindustrialisierung und Ausplünderung der 90er Jahre, in der Kriegspolitik mit der Zäsur von 1999, dem Angriffskrieg gegen Jugoslawien, dem Krieg in Afghanistan, der nun bereits 16 Jahre dauert, und der „Agenda 2010“.

Aktuell haben wir es mit einem Erwachen faschistischer Bewegungen zu tun, die an die imperialistische Kriegsideologie, an deren Rassismus direkt anknüpfen. Mit ihnen hat sich Klaus Steiniger in den letzten Jahren seines Lebens intensiv auseinandergesetzt.

Zwei Monate vor seinem Tod stellte er in seinem „RotFuchs“-Leitartikel vom Februar 2016 die Frage: „Wiederholt sich die Geschichte?“, und antwortete: „Die Welle grausamer imperialistischer Kriege – inzwischen immer öfter mit bundesdeutscher Beteiligung – und die unablässig steigende Flut der große Teile Europas überschwemmenden Faschisierung legen den Gedanken nahe, daß Gewesenes noch einmal über uns hereinzubrechen beginnt. Blinder Haß vor allem auf Muslime – eine neue Variante des Antisemitismus – sowie deutschnationaler Größenwahn, aber auch französischer Chauvinismus entladen sich auf keineswegs vom Himmel gefallene Flüchtlingsströme.“ An dieser Einschätzung muß keine Silbe geändert werden.

Es kann nur vermutet werden, daß insbesondere die Erfahrung mit den ersten Monaten der Trump-Administration dazu geführt haben, die Träume europäischer Faschisten und Nationalisten auf Regierungsübernahme zu dämpfen. Weder in Frankreich, wo Marine Le Pen in der zweiten Runde der Präsidentschaftswahl ein Drittel der Stimmen erhielt, noch in der Bundesrepublik trat das ein, was die Pegida- und AfD-Schreihälse seit zwei Jahren brüllen: Merkel ist nicht weg.

In dieser Situation machen sich viele Mitstreiter berechtigte Sorgen vor einer Wiederholung der Geschichte. Sie weisen darauf hin, daß nicht alle der fast sechs Millionen Bundesbürger, die am 24. September für die AfD stimmten, Nazis seien. Richtig, aber welche Schlußfolgerung ergibt sich daraus? Auch am 5. März 1933 waren nicht alle 17 Millionen Wähler der NSDAP Nazis. Jedoch gilt: Am Klassencharakter eines Staates ändern Wahlen nichts, wohl aber an dessen Verfassung. Damals schufen mutmaßlich Millionen Nichtnazis, die „lediglich“ mit den Hitlerfaschisten sympathisierten, die Massenbasis für die Abschaffung der parlamentarischen bürgerlichen Republik und für die Errichtung der faschistischen Diktatur. Soziale und politische Unzufriedenheit wird im Imperialismus sehr rasch in angeblich systemkritische Kanäle gelenkt. Heute gibt es wesentlich machtvollere Mittel als vor 84 Jahren, um Menschen dazu zu bringen, gegen ihre eigenen Interessen zu stimmen und Leuten, die nicht die Kapitalherrschaft, sondern Ausländer für jedes soziale Übel verantwortlich machen, auf den Leim zu gehen. Wer will, studiere das an Trumps Wahlkampf. Für die Arbeiterklasse, prekär Beschäftigte oder Armutsrentner haben weder er noch die AfD noch die FPÖ in Österreich oder der Front National in Frankreich etwas übrig.

Es gilt aber auch: Niemand ist gezwungen, Hetzern und Lügnern hinterherzulaufen – die Höcke, Maier, Poggenburg, Weidel oder Gauland sind nichts anderes. Insbesondere wer in der DDR aufgewachsen ist, hat in Schulen und Hochschulen gelernt, was Faschismus ist und welche Massenbasis er braucht. Auf die DDR richtet sich daher auch die besondere Wut der AfD-Führung. Daher die Schlußfolgerung: Ja, man muß mit den Menschen reden, aber nicht um den Preis, die Prinzipien des Marxismus-Leninismus und des Internationalismus aufzugeben.

Klaus Steiniger warnte vor zwei Jahren jene Genossinnen und Genossen, die in dieser Situation den Kapitalismus in kürzester Frist und möglichst weltweit aus den Angeln heben wollen, vor der Gefahr, „sich um den Bau von Wolkenkuckucksheimen zu bemühen“. Er schrieb: „In unseren Reihen hat es neben Realistischen und Weitsichtigen immer auch flotte Sprücheklopfer und vom Leben abgeschottete Buchstabengelehrte gegeben. Pseudoradikale Durchreißer, für die das Maß des jeweils Möglichen überhaupt keine Rolle spielt.“ Er erinnerte damals an Chruschtschow, der ungeachtet eklatanter Versorgungslücken unverdrossen verkündete, bis 1980 werde der Aufbau des Kommunismus in der UdSSR abgeschlossen sein.

1917 und 1945 verzeichnete die Arbeiterbewegung epochale Siege, 1989 bis 1992 eine epochale Niederlage. Noch ein Zitat von Klaus Steiniger dazu: „Wie müssen sich progressive Kräfte in dieser komplexen Situation verhalten? Für Menschen unserer Art gibt es keinen Grund aufzustecken oder den Kampf gegen Krieg und Kapital auf den Sankt-Nimmerleins- Tag zu verschieben. Doch Augenmaß und Nüchternheit sind geboten. Man sollte dabei die eigenen Möglichkeiten weder unter- noch überschätzen. Bisher hat der weltweite Übergang von einer Gesellschaftsformation zu einer anderen Jahrhunderte in Anspruch genommen. Ziel unseres Handelns muß es sein, die historische Existenzdauer der letzten Ausbeuterformation, von der das Weiterbestehen der Menschheit in höchste Gefahr gebracht wird, maximal zu verkürzen. Denn je länger es den Kapitalismus gibt, umso größer ist das Risiko eines Infernos.“

Darüber auch mit Menschen zu reden, die AfD gewählt haben, lohnt sich in vielen Fällen. Nein, es sind nicht alle Nazis. Entscheidend bleibt aber der Klassenstandpunkt, den Klaus Steiniger im Märzheft 2015 so formuliert hatte: „Als in der politischen und sozialen Realität des imperialistischen deutschen Staates, Europas und der Welt orientierungsfähige Sozialisten, Kommunisten und Antiimperialisten unterschiedlicher Weltanschauungen stehen wir unverrückbar gegen Krieg und Kriegsgeschrei, Ausbeutung und Unterdrückung, für internationale Solidarität und Toleranz gegenüber Andersdenkenden demokratischer Gesinnung. Mit besonderer Entschiedenheit wenden wir uns gegen jegliche Formen der Islamfeindlichkeit, des Antisemitismus, der Diskriminierung von Sinti und Roma, des Ausländerhasses und des bundesdeutschen Größenwahns.“ In diesem Sinn hatte er einen Monat zuvor geschrieben: „Für ein ‚Wehret den Anfängen!“ ist es bereits zu spät. So übernehmen wir die Losung jener, welche einst als Interbrigadisten in der großen Abwehrschlacht gegen Franco, Hitler und Mussolini auf Spaniens Erde verkündeten: Keinen Fußbreit den Faschisten!“

Friedenskampf und Antifaschismus sind seit jeher untrennbar. Das gilt für uns, für den „RotFuchs“-Förderverein, für alle Menschen guten Willens heute wie in den vergangenen Jahrzehnten. Für Marxisten-Leninisten ist beides mit dem Kampf gegen den Kapitalismus und für eine sozialistische Gesellschaft verbunden.

Liebe Genossinnen und Genossen,

unsere Mitgliederversammlung muß die Frage beantworten, was zu tun ist, um den „RotFuchs“ zu erhalten und seine Wirksamkeit zu erhöhen. Das ist die Aufgabe unseres Fördervereins. Der „RotFuchs“, laßt mich das betonen, ist keine Vereinszeitung im Sinne eines Mitteilungsorgans. Er konnte zur größten marxistischen Monatszeitschrift im deutschsprachigen Raum werden wegen seines Inhalts, seiner Linie, die Klaus Steiniger in der Nummer 200 in die Worte faßte „Wir sind nicht desertiert“ und weil er von einer professionell arbeitenden Redaktion gestaltet wird. Er ist über die Zeit der Zirkulare hinausgewachsen.

Die Arbeit der Regionalgruppen des Fördervereins hängt wesentlich davon ab, wie es gelingt, Qualität, Niveau, Aussage und Linie der Zeitschrift zu bewahren. Wir wissen vom hohen Durchschnittsalter unserer 1400 Mitglieder des Vereins. Aber das Wertvollste ist, daß all unsere Mitglieder und der überwiegende Teil der „RotFuchs“–Leser unsere marxistische Weltanschauung vertreten und über eine solide politische Grundbildung verfügen. Das politische Wissen und die Erfahrungen unserer Genossen werden gerade angesichts der verhängnisvollen internationalen und nationalen Entwicklung für die politische Aufklärung und die Schaffung linker Gegenmacht mehr denn je gebraucht.

Aktuell sind Lenins Worte in seiner Schrift „Was tun?“: „Ohne revolutionäre Theorie kann es auch keine revolutionäre Bewegung geben. Dieser Gedanke (so fährt Lenin fort) kann nicht genügend betont werden in einer Zeit, in der die zur Mode gewordene Predigt des Opportunismus sich mit Begeisterung für die engsten Formen der praktischen Tätigkeit paart.“

Der „RotFuchs“-Förderverein muß auch künftig ein wichtiges Bildungs- und Diskussionsforum im breiten linken Spektrum sein. Die Ausrichtung einer „RotFuchs“-Gruppe auf eine bestimmte Partei oder linkes Sektierertum schaden unserem Anliegen.

Der „RotFuchs“-Förderverein und seine Zeitschrift sind in ihrer Entwicklung über eine Tribüne für Kommunisten und Sozialisten hinausgewachsen. Zum „RotFuchs“ gehören heute Parteilose, Friedensaktivisten, Christen und in Sozialverbänden engagierte Bürger.

Dennoch wollen wir an der Bezeichnung des „RotFuchs“ als Tribüne für Kommunisten und Sozialisten festhalten, um unser Kernanliegen, die Bildung einer vereinten marxistischen Linken in der Tradition des Händedrucks von Wilhelm Pieck und Otto Grotewohl, zu stützen und zu fördern.

Nur der Dialog mit allen Linken, mit den Aktivisten der Friedensbewegung und den Vereinen der außerparlamentarischen Opposition fördert das Zusammengehen im Kampf für Frieden, gegen Rechtsentwicklung und Sozialabbau.

Dabei sind aus unserer Sicht die Regionalgruppen Rostock, Berlin, Potsdam, Bernau, Leipzig, Uecker-Randow und Eberswalde bereits sehr erfolgreich, um nur einige zu nennen. Die dort gesammelten Erfahrungen werden wir im kommenden Jahr im Erfahrungsaustausch der Regionalgruppenvorsitzenden erörtern.

Alle Vorstände sollten in den kommenden Wochen analysieren, welche in den Regionen wirkenden politischen Kräfte potentielle Verbündete sind und wie sie zu ihnen Kontakt bekommen. Eine Einladung zur gemeinsamen Auswertung der Bundestagswahl könnte der Auftakt für künftige Zusammenarbeit sein.

Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Freunde,

im kommenden Februar begehen wir den 20. Jahrestag des Erscheinens unserer Zeitschrift „RotFuchs“. Er entwickelte sich in dieser Zeit von einem 8seitigen Blättchen mit einer Auflage von 200 Exemplaren hin zur auflagenstärksten marxistischen Monatszeitschrift im deutschsprachigen Raum und erreicht heute, auch dank der gut gepflegten Website und des Facebook-Auftritts, tausende Leser im In- und Ausland.

Auf diese Gemeinschaftsleistung von Klaus Steiniger und der Redaktion mit den Autoren, den Leserbriefschreibern und künstlerischen Gestaltern können wir stolz sein. Wir bitten aber auch darum, daß die Regionalgruppen mit eigenen Beiträgen oder Leserbriefen die Zeitschrift stärker mitgestalten.

Großen Dank verpflichtet sind wir jenen Freunden des „RotFuchs“, die über ihren Mitgliedsbeitrag bzw. die Jahresspende hinaus großzügige finanzielle Unterstützung leisten und uns damit ermöglichen, die von Jahr zu Jahr steigenden Herstellungs- und Vertriebskosten decken zu können.

Der 20. Geburtstag des „RotFuchs“ sollte für alle Regionalgruppen und alle Mitglieder Anlaß sein, neue Abonnenten zu gewinnen. Wir tun uns immer noch schwer, mit „RotFuchs“-Werbeexemplaren dorthin zu gehen, wo sich linke Parteien und Verbände treffen. Nur auf diesem Wege können wir den „RotFuchs“ bekanntmachen und den durch Tod und Krankheit bedingten Rückgang der Abonnenten ausgleichen.

Liebe Genossen,

das kommende Jahr hält einige für uns wichtige Jubiläen bereit. Am 2. Februar vor 75 Jahren beendete die Rote Armee siegreich die Schlacht von Stalingrad. Am 9. November vor 100 Jahren begann die Novemberrevolution, am 31. Dezember 1918 jährt sich die Gründung der Kommunistischen Partei Deutschlands zum 100. Mal. Vor allem aber: Im kommenden Jahr jährt sich der Geburtstag von Karl Marx zum 200. Mal.

Für den „RotFuchs“-Förderverein ist das Karl-Marx-Jahr Anlaß, in unseren Bildungsveranstaltungen über das Jahr hinweg zu vermitteln, warum Marx hochaktuell ist und es sich lohnt, ihn zu studieren.

Genosse Götz Dieckmann hat in sieben Punkten zusammengefaßt, worauf es uns ankommt, wenn wir Karl Marx und seine Lehre in den Mittelpunkt stellen. Ein Auszug:

Erstens: Marxismus heißt Prinzipienfestigkeit und ständige theoretische Weiterentwicklung. Wir erleben seit einem Vierteljahrhundert, wie immer wieder Rufe ertönen, endlich die organisatorische Einheit der Kräfte links von der Linkspartei herzustellen, also eine festgefügte revolutionäre Partei zu schaffen, ohne die der revolutionäre Kampf gegen den Imperialismus nicht erfolgreich geführt werden könne.

Diese Zielsetzung ist richtig. Die Erfahrungen dieser Jahrzehnte bezeugen jedoch auch: Die Vereinigung wird nicht errungen, indem man nur immer wieder wenige Punkte umfassende Glaubensbekenntnisse formuliert und erwartet, alle anderen würden sich auf dieser Basis der jeweils eigenen Gruppierung anschließen. Denn organisatorischer Vereinigung muß unbedingt die Einigung auf der Grundlage dialektisch-materialistischer Analysen komplexer weltanschaulicher Fragen vorangehen.

Zweitens: Marxisten müssen wissen, wie sehr die Zeit drängt. Denn die Probleme sind noch gravierender. Renommierte, keineswegs marxistisch ausgerichtete internationale Organisationen verweisen immer wieder auf gewaltige Unterschiede beim Ressourcenverbrauch westlicher Industrienationen einerseits und der Völker im großen ärmeren Teil der Welt auf der anderen Seite. Sie führen ins Feld, die Menschheit müßte bereits heute über etwa drei der Erde vergleichbare Planeten verfügen, um allen ein durchschnittliches Lebensniveau wie in den USA bieten zu können. Bezogen auf den Verbrauch der Deutschen bräuchte es zweieinhalb Planeten.

Wohlgemeinte Aufrufe zu gleichmäßigerer Verteilung allein vermögen diese Probleme nicht zu lösen. Aber unausweichlich muß diskutiert und darum gestritten werden, welche Bedürfnisse ökonomisch, ökologisch und moralisch zu rechtfertigen sind und welche nicht.

Drittens: Marxisten müssen sich angesichts der benannten Tatsachen noch entschiedener der Flüchtlingsfrage stellen. Wir sind Zeitgenossen einer erneuten Völkerwanderung. Dabei haben wir es mit historisch einschneidenden Veränderungen zu tun.

Vor anderthalb Jahrhunderten gab es Massenauswanderung – aus Irland, England, Deutschland, Schweden usw. – vor allem in die USA und nach Australien. Nach Australien schoben die Briten dabei nicht nur gezielt ihre proletarische „Überschußbevölkerung“, sondern auch Insassen von Haftanstalten ab, um den sich zuspitzenden Klassenkonflikt in England möglichst zu entschärfen. Auch in Deutschland gab es Vergleichbares, insbesondere nach den Niederlagen der Revolution von 1848.

Ein bedeutender Teil proletarischer Exilanten blieb jedoch nach Ankunft in der Neuen Welt oder auf dem australischen Kontinent nicht auf Dauer in den Städten. Es zog sie in riesige noch weitgehend unbesiedelte Gebiete ihrer Ankunftsländer, und sie wurden Farmer. Damit schieden sie jedoch aus den Reihen des Proletariats aus, was durchaus auch politische Folgen nach sich zog.

Heutzutage hat sich die Situation völlig verkehrt. Jetzt verlegen zwar viele superreiche Kapitalisten ihre Hauptwohnsitze aus den großen Industrieländern in sogenannte Steuerparadiese. Freies Land für ackerbauende, aus der Arbeiterklasse stammende Siedler gibt es dagegen faktisch nicht mehr. Im Gegenteil: Millionen Menschen in Ländern der „Dritten Welt“ verlieren durch neokolonialistische Expansion, durch Bevölkerungswachstum und Klimakatastrophen jede Möglichkeit, sich und ihre Kinder durch Landwirtschaft am Leben zu halten. Man darf dabei auch nicht übersehen: Das Futter für die großen Viehanlagen in Europa kommt heutzutage überwiegend aus riesigen landwirtschaftlichen Betrieben in den von Armut gezeichneten Regionen der Welt. Auch deshalb hat sich die Marschrichtung anschwellender Flüchtlingsströme radikal umgekehrt, und das potenziert die oben genannten Probleme.

Die Lage ist also sehr ernst, und wir müssen herausfinden, welche Schlüsse unsere Klassiker heute ziehen würden. Sie würden uns ganz gewiß nicht damit abspeisen, sie hätten doch vor 150 bzw. 100 Jahren all diese Fragen bereits endgültig beantwortet und wir bräuchten uns nur diesbezüglicher Zitate aus ihren Schriften zu bedienen.

Viertens: Es gibt keinen Marxismus ohne historische Mission der Arbeiterklasse. Gerade in dieser Hinsicht sind Vereinfachungen oder Zugeständnisse in Richtung der Behauptung, diese Klasse löse sich doch auf, bzw. sie werde marginalisiert, eine sehr große Gefahr.

Wir müssen von den Propheten des Verschwindens der Arbeiterklasse beharrlich einfordern, uns mitzuteilen, wohin die Arbeiterlasse denn verschwinden solle, in welchen anderen Klassen und Schichten sie sich angesichts ihrer proletarischen Eigentumslosigkeit an Produktionsmitteln angeblich auflöse.

Ich rufe dazu auf, mit größter Aufmerksamkeit im ersten Band des „Kapitals“ nachzulesen, wie Marx, vor allem im 23. Kapitel über „Das allgemeine Gesetz der kapitalistischen Akkumulation“, die Differenziertheit der Arbeiterklasse und der damaligen sozialen Schichtungen analysierte. Wir müssen zudem einbeziehen, was Lenin über die „Arbeiteraristokratie“ oder hinsichtlich der sozialen Differenzierung der Bauernschaft hinzufügte, um dann – auf dieser soliden Grundlage – veränderte Charakteristiken der Klassen und Schichten im zeitgenössischen Monopol- und Finanzkapitalismus zu entschlüsseln.

Fünftens: Marxismus und Vulgärmaterialismus gehören nicht zusammen.

Lenin hat 1905 geschrieben: „Die Ohnmacht der ausgebeuteten Klassen im Kampf gegen die Ausbeuter erzeugt unvermeidlich den Glauben an ein besseres Leben im Jenseits … wir fordern, daß die Religion dem Staat gegenüber Privatsache sei, können sie aber keinesfalls unserer eigenen Partei gegenüber als Privatsache betrachten. (…) Die Einheit (des) wirklich revolutionären Kampfes der unterdrückten Klasse für ein Paradies auf Erden ist uns wichtiger als die Einheit der Meinungen der Proletarier über das Paradies im Himmel.“

Nun könnte man meinen, Lenin habe seine Haltung nach der Oktoberrevolution revidiert. Das war aber nicht der Fall. Im November1918, mitten im blutigen Bürgerkrieg, unterstrich er in seiner Rede auf dem I. Gesamtrussischen Arbeiterinnenkongreß: „Im Kampf gegen religiöse Vorurteile muß man außerordentlich vorsichtig vorgehen; großen Schaden richtet dabei an, wer in diesem Kampf das religiöse Gefühl verletzt. Der Kampf muß auf dem Wege der Propaganda, der Aufklärung geführt werden. Wenn wir diesen Kampf mit scharfen Methoden führen, können wir die Massen gegen uns aufbringen; ein solcher Kampf vertieft die Scheidung der Massen nach dem Religionsprinzip, während unsere Stärke doch in der Einheit liegt. Die tiefsten Quellen religiöser Vorurteile sind Armut und Unwissenheit; eben diese Übel müssen wir bekämpfen.“

Es ist also eine Verleumdung, Lenin zum Urheber der Umwandlung russisch-orthodoxer Kirchen in Viehställe zu machen, wie es ja später in der Tat geschehen ist.

Seit Jahren erleben wir, wie in Ost und West immer mehr Leute aus den Kirchen austreten. Manche sehen darin einen Schritt in unsere Richtung. Diese Erwartung ist jedoch häufig auf Sand gebaut. Denn wir haben es oft mit üblem Vulgärmaterialismus zu tun, der dazu benutzt wird, die Ausbeutung zu rechtfertigen. Auch kapitalistische Zyniker und ihre Adepten verabschieden sich vom Glauben an Gott.

Wir sollten deshalb erkennen: Ein der Bergpredigt verpflichteter Mensch, der verinnerlicht, er könne nicht zwei Herren dienen, Gott und dem Mammon, steht uns moralisch und politisch näher als so manch zeitgenössischer Atheist.

Sechstens: Marxismus heißt Vereinigung des Kampfes gegen die Ausbeutung mit dem Kampf um den Frieden.

Siebtens: Es gibt keinen Marxismus ohne Internationalismus. „Proletarier aller Länder, vereinigt euch!“ – das ist und bleibt unsere zentrale Losung. Isolierte Betrachtung von Ausbeutergesellschaften lediglich im nationalen Rahmen führte stets in die Irre. Nationales und Internationales sind jedoch nur in ihrer wechselseitigen Bedingtheit richtig zu verstehen. Fällt beides in Extremsituationen auseinander, so muß jeder Marxist natürlich vom Vorrang des Internationalismus ausgehen. Es ist aber falsch, unter Berufung auf den Klassenstandpunkt die Rolle des Nationalen und des Patriotismus zu negieren.

Am Grabe von Karl Marx hat Friedrich Engels betont, der Verstorbene sei nicht nur unverzichtbar als genialer Wissenschaftler, als Analytiker und Interpret der Menschheitsentwicklung: „Denn Marx war vor allem Revolutionär. Mitzuwirken, in dieser oder jener Weise, am Sturz der kapitalistischen Gesellschaft und der durch sie geschaffenen Staatseinrichtungen, mitzuwirken an der Befreiung des modernen Proletariats, dem er zuerst das Bewußtsein seiner eigenen Lage und seiner Bedürfnisse, das Bewußtsein der Bedingungen seiner Emanzipation gegeben hatte – das war sein wirklicher Lebensberuf. Der Kampf war sein Element.“

Sind wir uns dessen bewußt, dann spüren wir die gewaltige Macht unserer Theorie. Nur dann streiten wir vereint unter dem Banner von Karl Marx.

Ich wünsche uns allen viel Erfolg bei unserer wichtigen Arbeit.