4.2.4
Das Geld als Zahlungsmittel
Die Funktion des Geldes als Zahlungsmittel ergibt sich notwendig aus der mit der Weiterentwicklung der Produktivkräfte und der Produktionsverhältnisse zusammenhängenden entwickelten Warenproduktion. Mit der Warenzirkulation entwickeln sich Verhältnisse, durch die „die Veräußerung der Ware von der Realisierung ihres Preises zeitlich getrennt wird“.111
Beim Vorgang W – G wird der Verkauf zeitlich von der Bezahlung getrennt. Es wird gekauft oder verkauft, ohne daß sofort bezahlt wird. Das notwendige Äquivalent wird (oder soll) erst später gegeben werden. Die Warenproduzenten kaufen gegen das Versprechen, später zu zahlen, das heißt, sie kaufen auf Kredit. Beim Kauf auf Kredit ist das Geld, welches am Fälligkeitstage gezahlt wird, nicht mehr Zirkulationsmittel, denn die Warenzirkulation ist ja bereits vor sich gegangen, sondern Zahlungsmittel. Das Geld funktioniert dabei erstens als Wertmaß bei der Preisbestimmung der zu verkaufenden Ware. Das Geld funktioniert, wie Marx schreibt, zweitens als ideelles Kaufmittel. Obgleich es nur im Geldversprechen des Käufers existiert, bewirkt es den Austausch der Ware. Erst am fälligen Zahlungstermin tritt das Geld als Zahlungsmittel wirklich in die Zirkulation.112
Die ökonomischen Ursachen für das Entstehen der Funktion des Geldes als Zahlungsmittel sind zum Beispiel in den unterschiedlichen Produktionszeiten der einzelnen Warenproduzenten zu suchen. So muß der Bauer verschiedene Waren auf Kredit kaufen, bevor er seine Ernte eingebracht und verkauft hat. Im Schwermaschinenbau dauert zum Beispiel die Herstellung einer Maschine nicht selten ein Jahr und länger. Erst nach dieser Zeit kann sie in Geld umgesetzt werden. Eine andere Ursache sind mehr oder weniger lange Transportwege und -zeiten, sind unterschiedliche Zirkulationszeiten.
Mit der Funktion des Geldes als Zahlungsmittel, mit dem Kauf auf Kredit ergeben sich neue gesellschaftliche Beziehungen zwischen den Warenproduzenten. Durch den Verkauf auf Kredit verwandelt sich der Verkäufer in einen Gläubiger und der Käufer in einen Schuldner. Das Verhältnis von Gläubiger und Schuldner ist, wie Karl Marx sagt, weniger gemütlich, als das von Käufern und Verkäufern.113 Dieses Verhältnis ist in der auf dem Privateigentum an den Produktionsmitteln begründeten Warenproduktion ein Abhängigkeitsverhältnis. Der Schuldner ist dem Gläubiger auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.
Die auf dem Geld als Zahlungsmittel beruhenden gegenseitigen Verpflichtungen entwickeln sich zu einer ganzen Kette von Verbindlichkeiten. Jeder gibt seine Waren auf Kredit und kauft Waren auf Kredit, so daß die Gläubiger gleichzeitig Schuldner sind. Sie können ihre eigenen Zahlungsverpflichtungen nur dann einhalten, wenn sie ihrerseits Zahlungen erhalten. Tritt nun an irgendeiner Stelle Zahlungsunfähigkeit ein, dann kann diese Zahlungsunfähigkeit eines einzelnen zur Zahlungsunfähigkeit einer ganzen Kette von Gläubigern und Schuldnern werden. Bei Häufung solcher Fälle kann das ganze System in eine Krise gerissen werden. „Die Funktion des Geldes als Zahlungsmittel schließt einen unvermittelten Widerspruch ein. Soweit sich die Zahlungen ausgleichen, funktioniert es nur ideell als Rechengeld oder Maß der Werte. Sowie wirkliche Zahlungen zu verrichten, tritt es nicht als Zirkulationsmittel auf, als nur verschwindende und vermittelnde Form des Stoffwechsels, sondern als die individuelle Inkarnation der gesellschaftlichen Arbeit, selbständiges Dasein des Tauschwerts, absolute Ware. Dieser Widerspruch eklatiert in dem Moment der Produktions- und Handelskrisen, der Geldkrise heißt.“114
Die Funktion des Geldes als Zahlungsmittel hat nicht nur schwerwiegende Folgen für die unmittelbaren Beziehungen zwischen den Warenproduzenten, die sich in Gläubiger und Schuldner verwandeln, sondern auch für die Verhältnisse der ganzen Gesellschaft. Aus der Funktion des Geldes als Zahlungsmittel entspringt die zweite Möglichkeit der Wirtschaftskrise, die Geldkrise.
Auf einem bestimmten Niveau der Entwicklung der Warenproduktion übt das Geld als Zahlungsmittel diese Funktion nicht nur in der Warenzirkulation aus, sondern beispielsweise auch bei der Bezahlung von Steuern, Renten, Beiträgen, Abgaben usw. Das Geld entwickelt sich in seiner Funktion als Zahlungsmittel zur „allgemeinen Ware der Kontrakte“.115
Aus der Funktion des Geldes als Zahlungsmittel entwickelt sich unmittelbar das Kreditgeld, indem Schuldscheine für die verkauften Waren selbst wieder zur Übertragung von Schuldforderungen zirkulieren. Die Gläubiger verlangen im allgemeinen von ihren Schuldnern eine schriftliche Bestätigung ihrer Schuld, einen Schuldschein. Aus diesen Schuldscheinen entwickelt sich der Wechsel. Ein Wechsel kann wieder zum Kauf einer anderen Ware in Zahlung gegeben werden und damit als Zirkulationsmittel fungieren, und er kann Zahlungsmittel sein, wenn er zur Begleichung einer Schuld verwendet wird. In beiden Fällen ist der Wechsel Handelsgeld, die unterste Stufe des Kreditgeldes. Kreditgeld ist fiktives Geld, da es nicht, wie das einlösungspflichtige Papiergeld, wirkliches Geld, sondern eine Schuldforderung repräsentiert und seine Funktion von der Einlösung dieser Schuldforderung abhängt.
Die Verwendung von Wechseln als Handelsgeld hat im Kapitalismus große Ausmaße angenommen. Nur ein kleiner Teil der Kaufsumme aller Geschäfte wird bar bezahlt. Der größte Teil wird durch Wechsel beglichen. Die Grundlage dafür ist die Funktion des Geldes als Zahlungsmittel.
Aus dem Wechsel als Handelsgeld entstanden die Banknoten. Die Banknoten sind ein Zahlungsversprechen der Bank. Sie sind Bankwechsel und unterscheiden sich von gewöhnlichen Wechseln dadurch, daß sie eine unbegrenzte Laufzeit, eine Stückelung und relativ große Sicherheit haben. Da die Bank-noten für den kapitalistischen Geldumlauf charakteristisch sind, werden sie im Zusammenhang mit dem kapitalistischen Kreditsystem behandelt.116
Aus der Funktion des Geldes als Zahlungsmittel ergibt sich eine Modifizierung des Geldumlaufgesetzes.117 Durch diese Funktion wird die erforderliche Geldmenge stark beeinflußt; sie wird nun folgendermaßen berechnet: Summe der zu realisierenden Warenpreise plus Summe der fälligen Zahlungen minus Summe der sich ausgleichenden Zahlungen, dividiert durch die durchschnittliche Umlaufzeit gleichnamiger Geldstücke.118 Das sind die Hauptfaktoren, die nun die notwendige Geldmenge bestimmen.119 Diese Formel stellt also wichtige Beziehungen zwischen der Waren- und der Geldseite der Wirtschaft dar.