RotFuchs 227 – Dezember 2016

Nachruf für Rolf Losansky

Adiós compañero!

Christa Kožik

Rolf Losansky und Christa Kożik

Rolf Losansky und Christa Kożik

Als Rolf Losansky, der große Meister des Kinderfilms, Mitte September im Alter von 85 Jahren starb, da war es, als ob ein Licht erloschen ist, ein Licht, das nicht zu ersetzen ist. Seine Kinderfilme, etwa fünfundzwanzig an der Zahl, waren voller Poesie, Mitmenschlichkeit, Herzenswärme und Heiterkeit. Eine poetisch-philosophische Dimension, die leise und nachhaltig daherkam, durchzog seine Filme.

Ich nenne nur einige Titel stellvertretend für die vielen: „Das Geheimnis der 17“, „Die Suche nach dem wunderbunten Vögelchen“, „Das Schulgespenst“, „Der lange Ritt zur Schule“, „Ein Schneemann für Afrika“, „Moritz in der Litfaßsäule“, „Der verzauberte Einbrecher“, „Abschiedsdisco“, „Das Wolkenschaf“, „Hans im Glück“ usw.

Voller Trauer sage ich: Rolf Losansky ist als Künstler für Kinder unersetzlich. Seine herzenswarme Art, in Kinderseelen zu schauen, sie zu trösten und sie mit seinen wunderbaren, leisen Filmen ein bißchen stärker zu machen, diese Farbe wird fehlen, in dieser Zeit der marktgerechten, lauten und grobschlächtigen Oberflächlichkeit.

Wer wissen will, wie das Leben in der DDR wirklich war, der schaue sich diese Filme an, sie sind eine sensible Chronik. Rolf Losansky hat über Generationen Kinder mit seinen Filmen glücklich gemacht und ihr Herz berührt, daß sich sehr viele lebenslang an die Filme erinnern und erinnern werden.

Er wurde 1931 in Frankfurt/Oder geboren, erlebte und überlebte als Junge zwischen Kind und Halb-erwachsen-Sein das Grauen des zweiten Weltkrieges. Sein Vater und vier seiner Onkel starben im Krieg. Rolf hat seiner Mutter geholfen, mit den zwei jüngeren Geschwistern durch den Krieg zu kommen. Buchdrucker lernte er, ging zur ABF, um anschließend Medizin zu studieren. Doch brach er dieses Studium zum Glück ab, weil er nicht sehen konnte, wenn Kinder litten oder starben. Er wollte sie fröhlich machen und stark und ihnen beim Schwersten helfen: leben zu lernen. Deshalb begann er ein Studium der Regie an der Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam-Babelsberg und sah bald seine Stärke im Film für Kinder. Die DDR war sein Land. Hier lebte er gerne, hier konnte er sich im DEFA-Studio für Spielfilme verwirklichen. Ein Viertel der Jahresproduktion waren Kinderfilme. Die DEFA-Kinderfilme wurden in dreißig Länder exportiert und waren ein Markenzeichen der DDR.

Am 1. Januar 1991 änderte sich das total. Da wurden die ersten 1500 künstlerischen Mitarbeiter des Studios entlassen, weitere tausend folgten. Und der Kinderfilm wurde zum Stiefkind. Über allem stand der häßliche und dumme Spruch „Die DEFA riecht nicht gut.“

Ich hatte das Glück, als Filmautorin für und mit Rolf Losansky drei Kinderspielfilme und zwei Theaterstücke zu schreiben. Das Schreiben mit ihm machte Riesenspaß, denn wir konnten dabei so viel lachen. Ich hatte das größere Vergnügen, denn Rolf versuchte mir immer, die Szenen vorzuspielen und warf sich dafür auf meinen blauen Teppich oder telefonierte mit einer riesigen Schere. Nach der „Wende“ gelang es ihm, noch zwei Spielfilme zu produzieren. Doch trotz persönlicher Schicksalsschläge, wie dem Tod seiner Frau, später seines Sohnes, blieb er ungebrochen, als müsse er für seine lieben Toten weiterleben. Er inszenierte fürs Kindertheater, unterrichtete an drei Theaterhochschulen, tourte mit seinen Kinderfilmen durch „Großdeutschland“ und führte in vollen Kinos herrliche Filmgespräche mit den Kindern.

Ich war oft an seiner Seite, bewunderte seine Energie und seinen hellen Geist. Immerhin war er da schon über achtzig. Wir hatten beide noch soviel bunte Gedanken im Kopf und saßen noch am dritten gemeinsamen Theaterstück für Kinder. Für den Kinderfilm gab es für uns keine Chancen mehr. Aber wir waren uns im Sinne von Marx einig, der Mensch soll heiter von seiner Vergangenheit Abschied nehmen. Mit heiterer Kraft hat er mich und andere immer wieder mitgerissen. Sein großes Verdienst war es auch, als Präsident des Festivals „Goldener Spatz“ in Gera 1990/91 den „Ostwaggon mit dem Westwaggon zusammenzukoppeln“ und damit – natürlich mit Hilfe anderer –, dieses Festival bis jetzt zu erhalten.

Und Preise? Preise hat er so viele, daß der Platz nicht reicht, sie zu nennen. Ich beschränke mich deshalb: diverse Filmpreise auf vier Kontinenten und in der DDR 1979 den Nationalpreis, viele Hauptpreise beim Kinderfilm-Festival „Goldener Spatz“ in Gera und anderswo und 2011 den Preis der DEFA-Stiftung fürs Lebenswerk sowie den „Goldenen Ehrenspatz“ und den „Ehrenschlingel“ in Chemnitz. Das Geheimnis meines Lebens- und Arbeitsfreundes Rolf Losansky, bis ins hohe Alter so jung und vital geblieben zu sein, war ganz einfach: Er hatte das Kind in sich bewahrt. Deshalb konnte er sich so empfindsam in seine Zuschauerkinder einfühlen und sie in Freude und Leid verstehen. Als ihn im Jahr seines 50. Filmjubiläums, im Sommer 2013, ein Schlaganfall an den Rand des Lebens brachte, schaffte er es, danach noch drei Jahre im Rollstuhl zu leben, halb gelähmt und der Sprache beraubt, aber mit heiterer Würde, alles verstehend, was nahe Verwandte und Freunde ihm mitteilten, wenn sie ihn besuchten. Und mit seinen geringen Möglichkeiten gelang es ihm, die Besucher zu beschenken, mit seiner tapferen Heiterkeit.

Er wollte es ihnen nicht zu schwer machen. Die Basis dafür schaffte seine Tochter Danka Losansky, die entschied, den geliebten Vater nicht ins Pflegeheim abzuschieben. In seiner Wohnung war er umgeben von seinen Filmen, Bildern und Büchern, rundum betreut von den ungarischen Pflegerinnen Sissi und Margrit, die sich in der Pflege abwechselten. Es war eine Kette der Freundschaft, die bis zuletzt um ihn war. Auch einige seiner Filmkinder besuchten ihn ständig und gründeten den Freundeskreis „Rolf Losansky“.

Rolf Losansky wurde am 6. Oktober auf dem Friedhof in Bornstedt bei Potsdam bestattet. Knut Elstermann hielt die würdig-heitere Trauerrede. Mehr als zweihundert Menschen kamen zum letzten Abschied. Ich habe ihm eine kleine Litfaßsäule aus Pappe, ein Geschenk von Kindern, mit ins Grab gegeben, beklebt mit seinem Bild, dem von Karl Marx und Fotos seiner Filme. Seine Filme bleiben uns und der Nachwelt als Geschenk.

Adiós, compañero Rolf!