RotFuchs 199 – August 2014

Zur Entwicklung der
kubanisch-russischen Beziehungen

Alte Liebe rostet nicht

Marcel Kunzmann

In Anwesenheit von Präsident Wladimir Putin wurde am 24. Mai auf dem Wirtschaftsgipfel in St. Petersburg ein neues Abkommen über die Zusammenarbeit mit Kuba im Ölsektor abgeschlossen. Der umfangreiche Vertrag kam wenige Wochen nach dem Besuch des russischen Außenministers Sergej Lawrow in Havanna zustande und könnte für die weitere Entwicklung der kubanischen Wirtschaft von strategischer Bedeutung sein. Die Beziehungen zwischen Rußland und Kuba befinden sich derzeit auf ihrem höchsten Niveau seit sowjetischen Zeiten. Doch wie hat sich das kubanische Verhältnis zum größten Land der Erde bis heute entwickelt?

Die UdSSR trug in den 80er Jahren etwa ein Drittel des kubanischen Bruttoinlandsprodukts – schließlich war die Insel ein wichtiger Vorposten des Sozialismus direkt vor amerikanischen Ufern und ein zuverlässiger Lieferant von Rohrzucker. Durch subventioniertes Rohöl, den Aufbau neuer Fabriken samt Ausrüstungen sowie zahlreiche gemeinsame Projekte im Rahmen des RGW profitierte Kuba enorm vom sowjetischen Technologietransfer. Den Preis für diese „Entwicklungshilfe“ bezifferte man mit 32 Milliarden US-Dollar – eine Summe, die von Rußland fortan als Schulden Kubas betrachtet wurden.

Mit der Auflösung der Sowjetunion im Jahre 1992 verlor der karibische Inselstaat seinen wichtigsten Außenhandelspartner, was zur „Sonderperiode in Friedenszeiten“ mit ihren bekannten Folgen führte: Mangel an Treibstoff und Devisen, Niedergang von Industrie und Landwirtschaft. In der ersten Hälfte der 90er Jahre waren beide Länder vor allem mit sich selbst beschäftigt, der Austausch beschränkte sich meist auf die Lieferung von Ersatzteilen. Ein Grund dafür war die kubanische Weigerung, die Schulden aus RGW-Zeiten zu begleichen.

Der Konflikt belastete das russisch-kubanische Verhältnis auch noch, als sich die Beziehungen nach Putins Amtsantritt allmählich zu verbessern begannen. Im Jahr 2000 besuchte der russische Präsident Fidel Castro. In Havanna forderte er die USA auf, das Wirtschaftsembargo gegen Kuba zu beenden. 2008 war Rußlands seinerzeitiger Präsident Medwedjew in Kuba zu Gast. Dabei wurde das erste größere Wirtschaftsabkommen mit der Russischen Föderation unterzeichnet. Es hatte vor allem die Erkundung kubanischer Rohölvorkommen in Küstennähe zum Ziel. Auch auf anderen Gebieten erneuerte man die Zusammenarbeit. Die Gegenvisite Raúl Castros erfolgte 2009.

„Ihr Besuch eröffnet eine neue Seite in der Geschichte der russisch-kubanischen Beziehungen“, sagte damals Medwedjew. Tatsächlich kann seitdem eine fortwährende Verbesserung des Verhältnisses zwischen beiden Ländern festgestellt werden. Der jährliche Handelsumsatz mit der Sowjetunion erreichte noch 1989 einen Wert von 8,8 Milliarden US-Dollar und ging bis 1993 um 94 Prozent zurück. Einen Tiefpunkt bildete das Jahr 2005 mit nur noch 190 Mio. Dollar. Unter Raúl Castro erholte sich der Handel mit Rußland, 2012 wurden Güter im Wert von 341 Milliarden US-Dollar ausgetauscht. Dennoch macht das Geschäft mit dem Riesenland vorerst nur 1,8 % des kubanischen Handelsvolumens aus.

In den letzten Jahren hat sich neben den Wirtschaftsbeziehungen auch die politische Kooperation verbessert. Nach den schweren Zerstörungen durch Hurrikan „Sandy“ im Oktober 2012 leistete Rußland Katastrophenhilfe, und auch der Staatssender „Russia Today“ unterstützt seit einigen Jahren die kubanischen Medien. Schließlich hat sich die Anzahl der russischen Touristen, welche die Insel besuchten, seit 2009 mehr als verdoppelt. Mit 87 000 Gästen lag Rußland 2012 noch vor Spanien.

Die wichtigste neuere Entwicklung im russisch-kubanischen Verhältnis war das Abkommen über die Abschreibung der kubanischen Altschulden, mit dem das schwerwiegendste diplomatische Problem beider Länder aus der Welt geschafft werden konnte. Bereits 2012 gab es erste Anzeichen für einen derartigen Schritt, doch erst im Mai 2014 wurde der Vertrag während Lawrows Besuch unterschrieben. Die Übereinkunft sieht den Erlaß von 90 % der kubanischen Schulden bei Rußland vor, die übrigen 3,2 Milliarden US-Dollar sollen in den nächsten 10 Jahren in gemeinsame Projekte investiert werden. Bei seiner jüngsten Kuba-Visite Mitte Juli hat Putin diesen wichtigen Schritt noch einmal bekräftigt.

Beide Länder haben auch die militärische Kooperation vor einigen Jahren wieder aufgenommen. Die kubanische Armee arbeitet überwiegend mit sowjetischem Gerät und benötigt dringend Ersatzteile. Hierfür wurde 2013 ein Abkommen geschlossen, das auch die Weiterbildung kubanischer Militärs durch russisches Personal vorsieht.

„Die Weltsituation verändert sich derzeit sehr schnell, deshalb müssen wir darauf entsprechend reagieren können“, sagte Nikolai Patruschew, Chef des russischen Geheimdienstes FSB, am Rande der aktuellen Gespräche mit Alejandro Castro in Moskau. Der Sohn des Präsidenten, Oberst im Innenministerium, war auf kubanischer Seite Verhandlungsführer. Er erklärte, es gehe um effektivere Absprachen zur Erhöhung der Sicherheit beider Länder.

Ein spannender Aspekt ist auch das gestiegene Interesse der russischen International Investment Bank (IIB) an Kuba. Sie dient der Finanzierung größerer und mittlerer zwischenstaatlicher Projekte und wurde 1970 im Rahmen des RGW gegründet. Den jüngsten Höhepunkt in den Wirtschaftsbeziehungen bildet das eingangs erwähnte Abkommen des kubanischen Ölkonzerns CUPET, einer Tochterorganisation des Handelsunternehmens CIMEX, mit dem russischen Ölgiganten Rosneft. Der Vertrag soll vor allem Ölförderung und Petrochemie Kubas unterstützen.

Im nächsten Schritt will Rosneft eine Logistikbasis in der Sonderwirtschaftszone Mariel errichten. Sie könnte zu einer Ausgangsbasis für künftige Offshore-Bohrungen oder Raffinerieanlagen werden. Damit hat das Land, wohl auch mit Blick auf die instabile Situation in Venezuela, den Grundstein für eine intensive und langfristige Kooperation mit Rußland gelegt. Gerade im Energiesektor dürfte Kuba daran interessiert sein, bestehende Abhängigkeiten zu reduzieren.

Rußlands neu erwachtes Interesse an einer Zusammenarbeit mit Kuba kommt keineswegs überraschend. Seit 2008 kann eine langsame Wiederherstellung zielgerichteter und freundschaftlicher Beziehungen zwischen beiden Ländern beobachtet werden. Die neue Investitionsgesetzgebung in Kuba sowie die Ereignisse in der Ukraine dürften zur Beschleunigung dieses Prozesses beigetragen haben.

Rußland möchte die sozialistische Insel offensichtlich nicht aus den Augen verlieren. Kuba bietet mehr als nur seine neuen Investitionsbedingungen: die ausgedehnte Verwendung russischer Maschinen und Industriestandards, die strategisch günstige Lage der Insel, die hochgradige Verbreitung russischer Sprachkenntnisse sowie die traditionell freundschaftlichen Beziehungen beider Länder sind ein wichtiger Anreiz, in den kommenden Jahren noch engere Bande zu knüpfen.

In Anbetracht der vor allem von den USA forcierten internationalen Isolierung Rußlands orientiert sich Moskau wieder stärker auf alte Verbündete. „Alte Liebe rostet nicht“, heißt es. So birgt die Wiederannährung das Potential für eine längerfristige Beziehung.