RotFuchs 208 – Mai 2015

Das Land, wo Milch und Honig fließen ...

Rico Jalowietzki

Pünktlich vor dem Ostergeschäft 2015 legten sich die Medien der BRD einmal mehr mächtig ins Zeug, um Massen von Menschen in die Geschäfte zu locken. Das Konsum-Barometer war auf 9,7 Punkte gestiegen und wies somit den höchsten Wert seit Oktober 2001 auf. Daß die derzeit niedrigen Zinsen viele nicht mehr zum Sparen animieren, ließ man nur noch in Nebensätzen durchblicken. Die Frage, ob ein nicht geringer Teil der Bevölkerung denn überhaupt imstande sei, etwas beiseite zu legen, blendeten Presse, Funk und Fernsehen gleich ganz aus.

Bestimmte Tatsachen werden aber mit Vorliebe unter den Teppich der Erfolgsmeldungen gekehrt: 25 Prozent der Arbeiter und Angestellten waren 2014 im sogenannten Niedriglohnsektor beschäftigt. Sie verdienten weniger als zehn Euro brutto in der Stunde. Wovon sollten diese etwa acht Millionen Betroffenen denn noch irgend etwas anlegen?

Licht ins Dunkel brachte die Berliner Sparkasse, als sie 2014 in ihrem Magazin „Berliner Akzente“ Einnahmen und Ausgaben gegenüberstellte. Da war der 22jährige Student mit einem Nettoeinkommen von 1000 Euro, Ausgaben 995 Euro. Macht satte fünf Euro Überschuß. Der Weg zum neuen Fahrrad oder Smartphone dürfte hier sehr lang sein oder ein Kauf auf Pump erfolgen. Eine alleinerziehende Frau (30) mit vierjähriger Tochter wurde vorgestellt. Nettogehalt: 1430 Euro, Ausgaben: 1422 Euro. Von den acht Euro Ersparnis pro Monat wird die junge Mutter kaum „große“ Sprünge machen können. Geht hier die Waschmaschine kaputt, ist der Weg in die Schuldenfalle vorprogrammiert. Und die Bedürfnisse der Tochter werden in den künftigen Jahren mit Sicherheit steigen. In beiden Fällen muß übrigens mehr als ein Drittel der Nettobezüge für die monatliche Wohnungsmiete auf den Tisch gelegt werden. Das gleichfalls vorgestellte Seniorenehepaar bringt es bei Nettorenten in Höhe von 2200 Euro und Ausgaben von 2168 Euro immerhin auf ein Plus von 32 Euro.

Mit dem folgenden Fall eröffnete die Berliner Sparkasse dem Leser endlich jene Gehaltsklasse, welche erklommen werden muß, um unbeschwert über die Runden zu kommen. Eine drahtige Endvierzigerin, als Single in einer Eigentumswohnung lebend, kann auf ein Nettoentgelt in Höhe von 3000 Euro verweisen. Bei vergleichsweise hohen Ausgaben für Wohnen, Ernährung, Bildung und Freizeit verbleiben ihr davon immerhin 360 Euro, von denen sie etwas auf die hohe Kante legen kann. Der Beruf der Dame wurde nicht verraten. Möge jeder RF-Leser darüber nachdenken, wie viele Menschen es in seinem Umfeld gibt, die zu derart gehobenen Gehaltsklassen gehören.