RotFuchs 232 – Mai 2017

Dem Komponisten
Jens-Uwe Günther zum 80.

Werner Voigt

Jens-Uwe Günther

Lesend in einer meiner Briefesammlungen, beginnend Ende der 60er Jahre, entdeckte ich erstaunt, daß ich ein Gedicht „Günthers Musik zu ,Peer Gynt‘ “ (einem Schauspiel von Ibsen, das damals am Deutschen Nationaltheater Weimar inszeniert worden war) geschrieben habe. Der Text ist leider nicht mehr auffindbar, doch das Schreiben von Günther an mich ist erhalten: „Damit haben Sie mir eine seltene Freude gemacht. Es ist das erste Mal, daß ein Dichter über eine Komposition von mir geschrieben hat … Sie haben darin mehr von der Gesamtkonzeption erkannt als alle Kritiker der Inszenierung zusammen.“ So etwas spornt an!

Vielleicht gründete sein unverhofftes Lob darin, daß Günther und ich „alte Chor­knaben“ waren: er in Magdeburg, ich in Halberstadt. Wir sangen Kantaten, Oratorien, Volkslieder, neue Lieder auch. Das ist lange her. Am 18. April beging der verdienst­volle Komponist seinen 80. Geburtstag.

Nach der Befreiung vom Hitlerfaschismus 1945 begann eine Zeit hoffnungsvollen Aufbruchs unserer jungen Generation für ein neues Leben. „Raus aus den Trümmern und was Neues hingebaut …“ Jens-Uwe Günther steckte voller Experimentierlust. Als ich in einem Chansonprogramm seine Vertonung von Rudi Bergers „An eine New Yorker Mutter“ gehört hatte, sandte ich ihm einige neuere Texte von mir. Daraus entstand dessen Chanson-Kantate „Das ist unser Jahr“, uraufgeführt 1970 am Deutschen Nationaltheater Weimar. Neben vielen seiner Bühnenmusiken zu Schau­spielinszenierungen von Fritz Bennewitz, u. a. zu Goethes „Faust“, wandte sich der Komponist auch dem Opernschaffen und sinfonischen Werken zu. Es ging darum, neue Wege zu gehen, um das Interesse vor allem des jungen Hörerpublikums für zeitgenössische Musik zu wecken. So schrieb Günther ein Konzertstück für Schlagzeug sowie eines für Harfe und Orchester. In Erfurt, seinem ersten Theater­engagement, und in Weimar arbeitete er mit jungen Schauspielern in speziellen Gesangstudios. Für die Musikbühne schrieb er u. a. „Doña Juanita“ – eine Oper mit eigenem Libretto – nach dem Roman „Die sieben Affären der Doña Juanita“ von Eberhard Panitz. Hinzu kamen die Kammeroper „Macette“, das Musical „Villon kommt über Paris“, Musik zu Goethes „Scherz, List und Rache“, Ballettmusik und für das Prager Marionettentheater „Spejbl & Hurvinek“ manch witzige Einlagen. Das Fernsehen der DDR beauftragte ihn, die Filmmusik zu „Daniel Druskat“ nach dem Roman von Helmut Sakowski (1976) zu schreiben. Es war eine rastlose, unruhige, ihn voll fordernde Zeit. Stets lag ihm die Förderung künstlerischer Talente sehr am Herzen. So unterstützte er Werkstatt-Treffen junger Talente über die Bezirkskultur­akademien und die Gewerkschaften und vertonte viele lyrische Texte deutscher und ausländischer Dichter – so Verse von Heinz Czechowski, Peter Hacks, Heinz Kahlau, Eva Strittmatter und Gisela Steineckert.

Diese Arbeit fand 2014 einen Höhepunkt in einem Chanson-Strauß mit selbstaus­gewählten Gedichten Gisela Steineckerts unter dem Titel „Miniaturen über die Liebe“. Sie besingen Gefühle und Gedanken von Liebenden, tauchen ein in eine Welt zwischen Glück und Schmerz, Trauer und neuem Aufbruch.