RotFuchs 195 – April 2014

Wo 40 Familien ein Fünftel des nationalen Reichtums besitzen

Die Hungerlöhne der Filipinos

RotFuchs-Redaktion

Alexia Fouarge, die im Auftrag der Menschenrechtsorganisation „Medizin für die Dritte Welt“ an einer Konferenz auf den Philippinen teilgenommen hat, schilderte der belgischen PTB-Zeitung „Solidaire“ ihre Wahrnehmungen in dem südostasiatischen Inselreich, das im Vorjahr von einer schweren Naturkatastrophe heimgesucht wurde. Nach ihrem Urteil schaffen das massive Elend der meisten Landesbürger und die ins Auge springende politische Unterdrückung ein erschreckendes Panorama.

Was Alexia Fouarge am meisten schockierte, sind die soziale Kälte und die ökonomische Ungleichheit. In Manila befänden sich ausgedehnte Elendsviertel in unmittelbarer Nachbarschaft zu Fünf-Sterne-Hotels.

Die Regierung werde nicht müde, das zweifellos beachtliche Wirtschaftswachstum von 6,6 % zu preisen. Doch 2012 kamen den 40 reichsten Familien unter 94 Millionen Filipinos nicht weniger als 21 % des Bruttoinlandsprodukts zugute – 47,4 Milliarden US-Dollar. Staatlicherseits beziffere man den Anteil der offiziell Armen mit 28 bis 30 %. Bei dieser Rechnung würden allerdings nur jene Menschen einbezogen, die am Tag weniger als 52 Pesos – knapp einen Euro – zur Verfügung hätten. Damit könne man auf den Inseln 1 Kilo Reis und 3 Eier erwerben.

Der Bergbausektor widerspiegele auf besonders krasse Weise Ungleichheit und Machtmißbrauch in der philippinischen Gesellschaft. Seit Inkrafttreten des Gesetzes über die Förderung von Bodenschätzen im Jahre 1995 habe ein regelrechter Run auf Gold und andere kostbare Metalle wie Silber, Nickel und Kupfer eingesetzt. Während sich internationale Konzerne um möglichst große Anteile dieses lukrativen Marktes stritten, zumal die dafür erhobenen Steuern die niedrigsten der Welt und gesetzliche Regelungen äußerst vage seien, bekomme der philippinische Staat, der all das ermutige, von den exorbitanten Profiten kaum etwas ab. Die Steuern, die er für die Förderungsgenehmigung einziehe, stellten nur 0,61 % des von den Konzernen erzielten Gewinns dar.

Ein anderes Problem der Philippinen sei die forcierte Privatisierung der öffentlichen Dienste – vor allem des Bildungs- und Gesundheitswesens sowie der Wasserversorgung. 1997 habe man das gesamte Trink- und Brauchwassernetz zwei privaten Unternehmen – Manila Water und Maynilad – ausgeliefert. Sie forderten von den Durchschnittsbeziehern Preise ab, die ihnen den Zugang zu Wasser außerordentlich erschwerten. Allein die „Grundgebühr“ sei nahezu unerschwinglich. Sie wurde durch Maynilad von 4,96 % auf 33,97 % heraufgesetzt. 2013 hätten weitere 26 Krankenhäuser verschiedener Regionen auf der Privatisierungsliste gestanden.

Um den multinationalen Konzernen die uneingeschränkte Erzielung von Maximalprofiten zu ermöglichen, würden Proteste der Bevölkerung brutal unterdrückt. Zwischen Juli 2010 und Dezember 2012 – so berichtete Alexia Fouarge – hätten auf den Philippinen 137 Hinrichtungen ohne Gerichtsurteil stattgefunden. Immer wieder verschwänden Widersacher des Regimes spurlos oder erfolgten willkürliche Verhaftungen aus politischen Gründen. Im Oktober 2012 sei z. B. die 27jährige Yuvy Capion gemeinsam mit ihren zwei Söhnen von Militärs umgebracht worden, weil sie zur Familie eines Aktivisten gehörte, der den Widerstand gegen einen ausländischen Bergbaukonzern organisiert hatte. Wenige Monate später habe man auch den Schwager der jungen Frau ermordet.

RF, gestützt auf „Solidaire“