RotFuchs 219 – April 2016

Die Schulze-Boysens – Antifaschisten
aus bürgerlich-adligem Hause

Steffen Kastner

Sie hatten ihre Spürhunde angesetzt. Die kreisten ihn ein, der sich noch sicher wähnte in ihrer Uniform, obwohl er nicht für ihre Ziele Dienst tat: Oberleutnant im faschistischen Luftfahrtministerium Harro Schulze-Boysen. Weder bürgerliche Erziehung noch berufliche Beschäftigung mit der Nazi-Ideologie hatten den geradlinigen Charakter zu einem Engagement mit einer Sache führen können, die er als menschheitsfeindlich erkannt hatte.

1909 als Sohn eines Fregattenkapitäns in Kiel geboren, suchte Harro Schulze-Boysen zunächst im Jungdeutschen Orden nach Gleichgesinnten. Er mußte jedoch bald feststellen, daß diese Organisation, die den Begriff „deutsch“ in ihrem Firmenschild führte, durchaus nicht das beste für das deutsche Volk vorhatte. So kehrte der angehende Jurastudent dieser erznationalistischen Vereinigung den Rücken und publizierte seine politische Position in der von ihm herausgegebenen Zeitschrift „Gegner“. Doch selbst mit diesem unklaren demokratischen Drängen und Wollen provozierte er die eben zur Macht gekommenen Faschisten so, daß sie ihn verhafteten und schwer mißhandelten.

Durch diese harte Konfrontation mit der politischen Unterwelt Nazideutschlands reifte in ihm der Entschluß, von innen heraus Widerstand gegen das Hitlersystem zu leisten. Günstige Umstände ließen es zu, daß er sich auf einem Lehrgang in der Verkehrsfliegerschule Warnemünde auszuzeichnen vermochte und eine Anstellung in der Nachrichtenabteilung des Reichsluftfahrtministeriums erhielt. Die Einblicke, die er hier in die Kriegsabsichten und Welteroberungspläne des deutschen Faschismus erhielt, aktivierten seine Widerstandsidee und ließen ihn bald Anschluß an Kommunisten und andere Hitlergegner finden. Seine neuen marxistisch-leninistisch gebildeten Freunde halfen ihm, aus seiner spontanen, mehr emotionell begründeten Ablehnung des Nazismus zu soliden, wissenschaftlich fundierten Positionen zu finden. Der zunehmende Einblick in gesellschaftliche Zusammenhänge veranlaßten ihn bereits 1938, der sowjetischen Botschaft interne Informationen über die Absichten der Faschisten in Spanien zukommen zu lassen. Jahre später, als Hitler-Deutschland die Sowjetunion überfallen hatte, war Harro Schulze-Boysen als aktiver Kundschafter für das Land des Sozialismus tätig.

Inzwischen hatte sich seine Widerstandsorganisation zu einer der größten des Zweiten Weltkrieges entwickelt. So hervorragende Köpfe des antifaschistischen Kampfes wie Dr. Arvid Harnack und John Sieg unterhielten ausgezeichnete Verbindungen zu Gruppen in Betrieben, aber auch bis hinein in das Oberkommando der Wehrmacht, das Propagandaministerium und andere Einrichtungen des faschistischen Staatsapparates. Auch zu ausländischen Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen gab es gut funktionierende Kontakte.

Ein Verbündeter von unschätzbarem moralischem Wert war für Harro Schulze-Boysen seine tapfere Frau Libertas. Die 1913 in Paris geborene Tochter aus adligem Hause war eine hochgebildete Frau, die für ihren Mann gefährliche Kurieraufträge übernahm und aus ihrer humanistischen Grundhaltung heraus dem faschistischen Regime Schaden zufügte, wo sie nur konnte. Als Harro Schulze-Boysen im August 1942, wenige Tage vor seinem 33. Geburtstag, festgenommen wurde, blieb es nicht aus, daß auch seine furchtlose Gefährtin in die Fänge der Faschisten geriet. Wie er wurde sie am 22. Dezember 1942 hingerichtet.

Der Gestapo war es gelungen, einen beträchtlichen Teil der Schulze-Boysen/Harnack-Gruppe aufzuspüren, der durch die Ermordung so hervorragender Antifaschisten wie Hans Coppi, Elisabeth und Kurt Schumacher, John Graudenz, Dr. Arvid Harnack, Ilse Stöbe und Adam Kuckhoff  ein schwerer Schlag zugefügt wurde. Diese Patrioten, die für ihre Idee in den Tod gingen, gehörten zu den herausragendsten Vorkämpfern für einen friedliebenden deutschen Staat, der in der Deutschen Demokratischen Republik noch im selben Jahrzehnt Gestalt annahm.

Die DEFA würdigte die Helden des antifaschistischen Kampfes 1971 mit dem Film „KLK an PTX – Die Rote Kapelle“ (Regie: Horst-E. Brandt; Darsteller: Horst Drinda, Irma Münch, Horst Schulze, Klaus Piontek, Ursula Karusseit u. a.)