RotFuchs 210 – Juli 2015

Die BRICS-Staaten sagen der US-Vorherrschaft den Kampf an

Eine neue globalstrategische Allianz

RotFuchs-Redaktion

Der „Münchner Merkur“ bezeichnete den G7-Gipfel, der unter enormen „Sicherheitsvorkehrungen“ im Schloß Elmau tagte, als „Treffen der Staats- und Regierungschefs der sieben führenden Wirtschaftsnationen“ und machte sich damit zum Gefangenen wirklichkeitsentrückter Wunschträume.

„Die G7 repräsentieren schon längst nicht mehr die sieben weltgrößten Volkswirtschaften“, stellte Peter Wahl in einem gründlich recherchierten, faktenreichen und solide analysierenden Beitrag der in Hamburg erscheinenden Monatsschrift „Sozialismus“ fest. Wir entnehmen ihm im folgenden eine Reihe hilfreicher Interpretationen.

China hat schon 2014 die USA wirtschaftlich überholt, während Frankreich, Großbritannien, Italien und Kanada bereits nicht mehr zu den Top sieben gehören.

Auf die nach dem Zweiten Weltkrieg einsetzende Phase der unangefochtenen unipolaren Dominanz der USA sind der stürmische Aufstieg Chinas, die bemerkenswerte Wiedergeburt Rußlands als Großmacht sowie die stürmische Entwicklung Brasiliens und Indiens gefolgt. Neue überregionale Allianzen wie BRICS, die Eurasische Union und die Shanghaier Kooperation sowie der von Venezuela initiierte lateinamerikanische Staatenverbund ALBA haben das weltweite Kräfteverhältnis qualitativ verändert. Die Herrschaft Westeuropas und der USA über „den Rest der Welt“ gehört der Vergangenheit an.

Im folgenden wollen wir uns dem zwar heterogenen, aber gemeinsame Ziele verfolgenden Staatenverbund BRICS (Brasilien, Rußland, Indien, China, Südafrika) zuwenden.

BRICS trat erstmals 2009 auf einem Gipfel im russischen Jekaterinburg zusammen. Inzwischen handelt es sich um ein gut strukturiertes Staatenbündnis, das eine gemeinsame Entwicklungsbank mit erheblichem Grundkapital betreibt. Alle beteiligten Staaten sind in deren Leitung eingebunden. Hauptsitz der Bank, die sich immer mehr als Alternative zur Weltbank und zum Internationalen Währungsfonds (IWF) zu profilieren beginnt, ist Shanghai.

Die Ära, in der diese beiden Institutionen gemeinsam mit der ihr Vorgehen militärisch absichernden NATO bei fortschreitender Aushebelung der UNO ein Monopol auf die Steuerung weltweiter Angelegenheiten besaßen, nähert sich ihrem Ende.

Das BRICS-Bündnis baut inzwischen zielstrebig seine eigenen Strukturen auf. Davon unabhängig gewinnen die Shanghaier Kooperation und die von China initiierte und zur Hälfte finanzierte Asiatische Infrastrukturelle Entwicklungsbank (AIIB) immer mehr an Einfluß. Zu den gigantischen Projekten, die sie betreibt, gehört auch die „Seidenstraße“, die Ostasien und die EU-Staaten auf dem Landweg verbinden soll. Übrigens befindet sich Rußland ebenfalls unter den Gründungsmitgliedern der AIIB, der sich außerdem Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan und Usbekistan angeschlossen haben.

Doch zurück zu BRICS. Die Bevölkerungszahl der Mitgliedsstaaten ist sehr unterschiedlich: Sie reicht von 50 Millionen (Südafrika) bis zu den beiden Milliardenvölkern China und Indien. Rußland und China gehören als ständige Mitglieder dem UN-Sicherheitsrat an. Drei der fünf BRICS-Staaten – Rußland, China und Indien – sind Atommächte, wobei nur der jetzt von Putin geführte Staat über eine nukleare Zweitschlagskapazität verfügt, mit der es einem Kernwaffenangriff der USA standhalten könnte.

Obwohl sämtliche BRICS-Staaten eine kapitalistische Volkswirtschaft besitzen, gibt es auch hier bedeutende Unterschiede, die sich vor allem im Ausmaß des staatlichen Eingreifens in ökonomische Prozesse und der Bedeutung des staatlichen Sektors zeigen. Hier nimmt China, das seinen riesigen privatkapitalistischen Bereich makroökonomisch zu lenken bemüht ist, den ersten Platz ein. Nach der Verschleuderung großer Teile des Volksvermögens an den parasitären Oligarchen-Kapitalismus und einem verheerenden Verfall Rußlands unter Jelzin hat die Russische Föderation den Tiefpunkt ihrer jüngeren Geschichte seit dem Jahr 2000 erfolgreich zu überwinden versucht. Strategische Bereiche seiner Volkswirtschaft wie Energie und Öl wurden entweder verstaatlicht oder werden mit politischen Mitteln gesteuert. Während Indien seit den 90er Jahren die durchgängige „Liberalisierung“ seiner Wirtschaft betreibt und Südafrika eher einem forciert kapitalistischen Kurs folgt, setzt Brasilien seit Präsident Lulas Zeiten auf einen nicht sehr nachhaltigen Staatsinterventionismus.

Zweifelsohne weichen das Entwicklungsniveau der BRICS-Staaten und deren volkswirtschaftliche Strukturen stark voneinander ab. Im Urteil von Peter Wahl besitzt China eine große und vorangeschrittene Industrie mit Hightech-Bereichen und ist international in hohem Maße wettbewerbsfähig, während sich zugleich riesige ländliche Räume weiterhin auf dem Niveau eines Entwicklungslandes befinden. China und Indien haben Rohstoffprobleme auf strategischen Feldern, während Brasilien und Südafrika bedeutende Exporteure mineralischer und agrarischer Rohstoffe sind. Rußland verfügt über die größten und diversifiziertesten Rohstoffreserven der Welt.

Auch der Lebensstandard in den fünf BRICS-Staaten ist sehr unterschiedlich: Im Pro-Kopf-Einkommen liegt Rußland dabei deutlich an der Spitze, während China der Größe seiner Volkswirtschaft nach und auf Grund seiner gigantischen Valutareserven alle anderen BRICS-Partner überragt.

Im Mai 2014 erklärte Barack Obama, wobei offensichtlich der Wunsch der Vater des Gedankens war: „Amerika muß auf der Weltbühne immer die Führung innehaben. Ich glaube mit jeder Faser meines Wesens an die amerikanische Sonderstellung.“

In den BRICS-Staaten nimmt man diese Herausforderung an, stellt Washingtons unveränderten Hegemonieanspruch in Frage und verfolgt das ebenso hochgesteckte wie erreichbare Ziel des Übergangs zu einem polyzentrischen System. Die Zeichen dafür dürften in der Perspektive nicht schlecht stehen.

RF, gestützt auf „Sozialismus“, Hamburg