RotFuchs 209 – Juni 2015

Zur veränderten Situation im Verhältnis
zwischen Kuba und den USA

Fortschritte und Hemmnisse

Marcel Kunzmann

Am 17. Dezember vergangenen Jahres kündigte Raúl Castro zeitgleich mit US-Präsident Obama die Wiederaufnahme von Kontakten zwischen Kuba und den USA an. „Die Isolationspolitik gegenüber Kuba hat nicht funktioniert“, lautete damals die Rechtfertigung des US-Präsidenten gegenüber den eigenen Leuten. Im selben Moment erfolgte der vorher ausgehandelte Austausch des US-Spions Alan Gross gegen die drei noch in US-Höchstsicherheitsgefängnissen inhaftierten Aufklärer der „Cuban Five“.

Neben dem Gefangenenaustausch waren auch einige wirtschaftliche Erleichterungen Teil der Absprachen. So dürfen amerikanische Staatsbürger künftig unbürokratischer nach Kuba reisen, wenn auch rein touristische Aufenthalte nach wie vor verboten bleiben. Wer sich als US-Bürger nach Kuba begeben will, muß noch immer eine von 12 Kategorien ankreuzen, unter die beispielsweise Geschäftsreisen, religiös motivierte Aufenthalte oder Verwandtenbesuche fallen.

Die neuen Gäste können seit dem 1. März mit eigenen Kreditkarten zahlen sowie Rum und Tabak im Wert bis zu 100 US-Dollar mit nach Hause nehmen. Auch das Limit für Geldsendungen aus den USA – eine der wichtigsten Devisenquellen für die kubanische Wirtschaft – wurde von 500 auf 2000 US-Dollar pro Quartal erhöht. Die Wiedereröffnung von Botschaften in beiden Hauptstädten ist vereinbart worden.

Kuba erklärt sich bereit, auf der Grundlage von Souveränität und Gleichheit einen „respektvollen Dialog“ mit den USA zu führen. Die ersten Verhandlungsrunden hierzu fanden in Havanna und Washington statt. Dabei ist die mancherorts geäußerte Euphorie über rasche Ergebnisse inzwischen längst verflogen. Zähe Verhandlung stehen noch bevor, bis von einer echten Normalisierung der Beziehungen die Rede sein kann.

Havannas Diplomaten versuchen dabei das über 50 Jahre alte Handelsembargo aufzuweichen, verbitten sich aber zugleich jede Einmischung in die inneren Angelegenheiten Kubas. Die USA hingegen wollten um jeden Preis noch vor dem Amerikagipfel, der im April stattfand, ihre Botschaft in Havanna eröffnen. Dort sind Raúl Castro und Barack Obama erstmals offiziell zusammengetroffen. In Gegenwart der lateinamerikanischen Staatschefs wollte sich der Herr im Weißen Haus keine Blöße geben. Es geht um Fortschritte in den beiderseitigen Beziehungen, wobei Kuba seine Forderung nach Streichung von der US-Liste der Terrorförderer als Priorität betrachtet. Auch wenn Obama dem inzwischen zustimmte, bedarf es noch entsprechender Kongreßbeschlüsse.

Daß die USA hingegen ihre Strategie des „Regime change“ in bezug auf das sozialistische Land geändert haben, darf getrost bezweifelt werden. Vielmehr hat man in Washington mittlerweile erkannt, daß sich die versuchte Isolierung der Insel gegen die eigenen Interessen richtet. Statt Kuba zu isolieren, ist der sozialistische Karibikstaat heute international besser vernetzt denn je. Tausende kubanische Ärzte arbeiten in vielen Ländern des Kontinents, und Havanna hat sich als Schirmherr der Friedensverhandlungen zwischen der FARC-Guerilla und der kolumbianischen Regierung auf diplomatischem Parkett einen Namen gemacht.

Ohne Zweifel dürfte vor allem auch der zunehmende Druck der lateinamerikanischen Länder die USA zur Aufnahme der vertraulichen Verhandlungen bewegt haben. Als Konsequenz der taktischen Neuausrichtung versucht sich Washington über den Dialog gezielt in die kubanische Innenpolitik einzumischen. Nicht zufällig fanden neben den offiziellen Verhandlungen auch Treffen mit kubanischen Oppositionsgruppen statt. Auch eine künftige US-Botschaft wird alles daran setzen, den politischen Einfluß der USA auf das Land auszuweiten.

In Havanna bleibt man dennoch gelassen. Die Streichung von der US-Terrorliste, die Rückgabe des Marinestützpunkts Guantánamo sowie die vollständige Aufhebung des Wirtschaftsembargos waren auf kubanischer Seite die Vorbedingungen für eine vollständige Normalisierung der Beziehungen. Daran wird festgehalten. Die konträren Gesellschaftssysteme beider Länder seien jedoch Teil ihrer jeweiligen Souveränität und nicht verhandelbar, verlautet aus der kubanischen Hauptstadt.

„Wir müssen die Kunst lernen, mit unseren Differenzen auf zivilisierte Weise zusammenzuleben“, erklärte Raúl Castro und unterstrich zugleich, daß Kuba keine Zugeständnisse auf Kosten seiner Selbstbestimmung machen werde. Obama wiederum wurde bereits von den ultrarechten Kuba-Hassern in Miami attackiert. Man warf ihm vor, die diplomatische Wiederannäherung zum Nulltarif anzubieten.

Die mehr als fünfzigjährige Feindschaft zwischen Kuba und den USA kann nicht über Nacht wegverhandelt werden, zumal die Systemgegensätze auch bei „zivilisierter Koexistenz“ weiterhin bestehen bleiben. Erfolge wurden bisher vor allem in Fragen wie den Seegrenzen, bei der gemeinsamen Bekämpfung des Drogenschmuggels und auf anderen Gebieten erzielt, während für eine vollständige Aufhebung des Wirtschaftsembargos ohnehin eine – derzeit höchst unwahrscheinliche – Mehrheit im USA-Kongreß erforderlich wäre.

Dennoch sind die Gespräche mit den USA für Kuba vor allem ein wichtiges Signal an andere Staaten. Seit Eröffnung der Sonderwirtschaftszone Mariel im Januar 2014 ist Havanna auf der Suche nach Partnern für mindestens 2 Milliarden US-Dollar an jährlichen Investitionszuflüssen, um die „Aktualisierung des wirtschaftlichen Modells“ mit entsprechendem Kapital unterfüttern zu können. Investoren aus Europa, Asien und Lateinamerika faßten die Veränderungen im Verhältnis zwischen Kuba und den USA als Signal auf, ihre Präsenz auf der Insel zu verstärken.

Zugleich betonte Rußlands Außenminister Sergej Lawrow die „strategische Partnerschaft“ zwischen Kuba und der Russischen Föderation. Auch China will durch die Errichtung von neuen Hotels und die Erweiterung des Hafens von Santiago de Cuba enger mit Havanna zusammenarbeiten. Dabei müssen US-Unternehmen noch vor der Tür bleiben. Bisher wurde lediglich der Export von Agrarprodukten und Telekommunikationsausrüstungen nach Kuba vereinfacht.

Der sozialistische Inselstaat wird weiterhin seinen eigenen Weg gehen. Statt politischer Konzessionen an Washington setzt man in Havanna auf die Diversifizierung der Handelspartner und langfristige Entwicklungsstrategien. Bis 2030 will Kuba einen „wohlhabenden und nachhaltigen Sozialismus“ aufbauen. Dabei wird das Land voranschreiten, „mit oder ohne Kapital aus den USA“, wie es ein kubanischer Ökonom jüngst zusammenfaßte.