RotFuchs 189 – Oktober 2013

Freiheit für Puerto Ricos
Oscar López Rivera!

Jürgen Heiser

Der Oktober ist auf der Karibikinsel Puerto Rico seit vielen Jahren ein Monat besonderer Aktivitäten für die politischen Gefangenen aus der Unabhängigkeitsbewegung. Einer von ihnen ist der heute 70jährige Oscar López Rivera, der seit über 32 Jahren in US-Hochsicherheitsgefängnissen gequält wird. 1981 unter dem Vorwurf der „Verschwörung zum Sturz der US-Regierung in Puerto Rico“ verhaftet, wurde er in einem Schauprozeß zu 70 Jahren Zuchthaus verurteilt. Zum „Hochverräter“ macht ihn in Washingtons Augen allein die Tatsache, daß er seit frühester Jugend für das Selbstbestimmungsrecht seiner Landsleute streitet. Puerto Rico sowie die Fischerinseln Vieques und Culebra sind nämlich seit 1898 eine Kolonie der USA. Diese wollen den Archipel zu ihrem 51. Bundesstaat machen.

Das aber möchten die Independentistas verhindern, die sich seit mehr als fünf Jahrzehnten der Solidarität des revolutionären Kuba gewiß sein können. Havanna setzt sich in der UNO konsequent für die Unabhängigkeit seiner Nachbarinsel Borinquens ein. So hieß Puerto Rico, bevor es durch die spanische Krone 1493 in Besitz genommen wurde. Die Erhebung des kubanischen Volkes gegen den von der US-Regierung gestützten Diktator Fulgencio Batista ist für die freiheitsliebenden Puertorriqueños ein leuchtendes Beispiel.

Im Zusammenhang mit den Feierlichkeiten zum 60. Jahrestag des Sturms auf die Moncada in Santiago de Cuba am 27. Juli kam mir ein Gespräch in den Sinn, an dem ich im Oktober 1991 in Puerto Rico teilgenommen hatte. Aus New York kommend befanden wir uns – eine Delegation von Unterstützern der Unabhängigkeitsbewegung – auf einer Rundreise, um verschiedene ihrer Strömungen kennenzulernen. Zu unseren Gesprächspartnern gehörten Aktivisten aus Armenvierteln, Vertreterinnen der Frauenbewegung und Menschenrechtsanwälte. Auch Anhänger der christlichen Befreiungstheologie machten uns mit ihrem Standpunkt vertraut. – Sehr beeindruckten mich Gespräche mit verdienten Kämpfern der Unabhängigkeitsbewegung wie Juan Marí Bras (1925–2010), dem Gründer der Sozialistischen Partei Puerto Ricos (PSP). Wir trafen ihn in seinem bescheidenen Haus in der Hafenstadt Mayaguez. Juan begrüßte uns wie alte Freunde, zeigte sich bestens über unsere Arbeit in Europa informiert und stieg gleich in das Thema seines Lebens ein. Er gab uns Worte von Pedro Albizu Campos (1891–1965), des Nationalhelden der Insel, mit auf den Weg. Gefragt, ob das Interesse an der von ihm verfochtenen Unabhängigkeit nicht auf lange Sicht verblassen werde, habe dieser geantwortet: „Ich hege keinen Zweifel, daß Puerto Rico frei sein wird, souverän und unabhängig. Wann das sein wird, weiß ich nicht. Vielleicht dauert es sieben Jahre oder sieben Jahrhunderte. Aber wie man es auch nimmt – es wird alles in der Unabhängigkeit gipfeln, und wir sind bereit, dafür zu kämpfen, Generation für Generation.“

„Ein Unabhängigkeitskämpfer zu sein“, sagte uns Juan mit optimistisch geballter Faust auf sein Herz pochend, „bedeutet, die Unabhängigkeit in unserem Innersten zu spüren. Deshalb leben wir schon in der Unabhängigkeit, bevor wir sie in ihrer ganzen Dimension gegenüber der Kolonialmacht und gesellschaftlich verwirklichen. Indem wir kämpfen, sind wir also bereits auf dem Wege, freie Menschen zu sein!“

Fast 22 Jahre später sprach Rafael Cancel Miranda, der sich bis 1979 selbst 25 Jahre in US-Haft befand, am 24. Mai 2013 via Internet auf der Veranstaltung „Freiheit für Oscar López Rivera!“ zu Studenten der Madrider Universität. Oscar repräsentiere die Würde des puertoricanischen Volkes und das Streben Lateinamerikas nach Unabhängigkeit, erklärte er ihnen, die im eigenen Land selbst um ihre elementaren Lebensgrundlagen kämpfen müssen. Oscar sei nicht vergessen und man dürfte nicht zulassen, daß er im Gefängnis sterbe. Der Kampf um seine Freiheit müsse deshalb internationalisiert werden. „Jede Minute, die wir für Oscar kämpfen, ist eine Minute im Kampf zur Verwirklichung unserer eigenen Menschenwürde.“