RotFuchs 228 – Januar 2017

Freiheit statt Kapitalismus!

Theodor Weißenborn

Wie Helmut Kohl als Helmut der Verschwiegene in die Geschichte (oder, wie er selbst sagen würde, „in die Geßichte“) eingehen wird, so wird Angela Merkel ihm als Angela die Alternativlose folgen; denn wann immer sie eine Entscheidung von großer Tragweite und mit womöglich verheerenden Folgen trifft, pflegt sie die warnenden Stimmen der Opposition zum Schweigen zu bringen mit der Behauptung, ihre Entscheidung sei alternativlos, womit sie sagen will, es gebe zu dem von ihr gewählten einen kein vernünftiges und praktikables Zweites.

Was mag der Grund für diese rhetorische Stereotypie sein? Entweder sieht sie tatsächlich keine zweite Möglichkeit, dann ist sie realitätsblind oder phantasielos, oder sie weiß sehr wohl, daß sie auch anders entscheiden könnte, ist aber nicht bereit, die Konsequenzen einer anderen Entscheidung in Kauf zu nehmen, da diese nicht in ihr christlich-kapitalistisch geprägtes Weltbild passen – dann verdrängt oder täuscht sie bewußt und regiert wie ihre gesamte Regierungsclique am Volk vorbei und über das Volk hinweg, um die Reichen reicher und die Armen ärmer zu machen.

Nehmen wir als Beispiel ihren Deal mit Erdoğan. Daß sie mit ihrer Euromanie Schiffbruch erlitten hat, ist evident, auch wenn sie diese Tatsache erbittert bestreitet. Die als Solidargemeinschaft gedachte EU hat in der Flüchtlingsfrage kläglich versagt. Die nationalen Egoismen etlicher Mitgliedsstaaten haben sich trotz aller humanitären Appelle als stärker erwiesen, so daß die Kanzlerin mit ihrem „Wir schaffen das!“ allein dasteht. Nun hätte sie ja, anstatt Erdoğan 13 Milliarden Euro zuzusagen und sich zugleich von ihm abhängig zu machen, leicht 500 Milliarden Euro lockermachen können (wie vor Jahren bei der Rettung der Hypo-Real-Estate-Bank), wenn sie die Superreichen unter Nutzung des staatlichen Gewaltmonopols einfach enteignet hätte, um einen entsprechenden Betrag an das Hilfswerk der Vereinten Nationen zu überweisen. Auch die soziale Verelendung großer Massen im eigenen Land (eine halbe Million Obdachlose!) hätte auf diese Weise mit einem Schlag beseitigt werden können.

Ist das naiv? Etwa weil die Zahl der Arbeitslosen dann drastisch gestiegen wäre (so ja die permanente Drohung der Kapitaleigner)? Nicht unbedingt. Denn die verstaatlichten Betriebe hätten sich umrüsten lassen. Statt Kanonenrohre kann man auch Rohre für Bewässerungsanlagen, statt Panzer auch Mähdrescher und andere landwirtschaftliche Maschinen bauen und in jene Länder exportieren, in denen die größte Hungersnot herrscht. Damit hätte man zugleich eine Hauptursache der Flüchtlingsströme beseitigen können, zwar spät (denn das zuvor Versäumte läßt sich nicht über Nacht nachholen), aber immer noch rechtzeitig, um eine weitere Verelendung der Völker in aller Welt wenigstens nicht noch mehr anwachsen zu lassen. Aber gerade das ist von den christlichen Demokraten, die ihren Glauben „freudig bekennen“ (O-Ton Angela Merkel)  nicht gewollt. Tagtäglich begünstigen sie vielmehr via Gesetzgebung die Reichen! Bewußt von ihnen gewollt ist die Unterstützung der Reichen in deren Krieg gegen die Armen.

Nein, die Regierung Merkel will keine soziale Gerechtigkeit! Sie fördert vielmehr Ausbeutung und Unterdrückung und sieht angesichts der sozialen Not auch eines Großteils der eigenen Bevölkerung „keinen Handlungsbedarf“ (siehe die Themen Vermögensabgabe, Erbschaftssteuer, Mietpreise, Leiharbeit, Altersarmut, Lobbyismus, Bankenrettung usw. usf.). Sie buhlt mit den Feinden des Proletariats und jammert gleichzeitig über die Politikverdrossenheit und das schwindende Vertrauen all derer, die längst nicht mehr zur Wahl gehen und die da sagen: „Sobald ich meine Stimme ,abgegeben‘ habe, ist sie einfach weg!“

Dies der vom Kapitalismus diktierte gesellschaftliche Status quo, den unsere Regenten unbedingt beibehalten wollen. Zwar gibt es in unserer Formaldemokratie auch Opposition, sogar zwei Formen der Opposition: eine Opposition von rechts und eine Opposition von links, wobei die faschistoide Opposition von rechts (AfD) zur Zeit zahlenmäßig die stärkere ist. Doch das (darauf setze ich meine Hoffnung) kann sich ändern, sobald die vorerst noch dahindösenden Massen einmal erwachen. Der nächste Banken-Crash, der sich in Italien abzeichnet, könnte ein Weckruf sein. Es kracht im Gebälk. Nach dem Brexit könnten weitere Exits folgen, und die NATO könnte (und sollte!) sich auflösen, sobald sich die Einsicht bei uns durchsetzt, daß Europa den USA in einem von diesen womöglich gewollten Krieg gegen Putin als Stoßdämpfer dienen soll.

Meine Alternative lautet: Freiheit statt Kapitalismus! Friede den Menschen unter den Brücken – Krieg den Villen im Tessin und am Wannsee in Berlin! Viva la vida! Es lebe das Leben!