RotFuchs 234 – Juli 2017

G20-Gipfel – Die Antikriegsbewegung
beteiligt sich an Gegenaktionen

Frieden und Völkerrecht
statt globalisierte NATO

Karl-Heinz Peil

In der politischen Bandbreite der zum G20-Gipfel angesagten Protestaktionen werden die globalen Themen aufgegriffen wie Umweltzerstörung und Klimawandel sowie die Zerstörung der menschlichen Lebensgrundlagen durch den sogenannten Freihandel. Diese Faktoren tragen auch in zunehmendem Maß zu den weltweiten Fluchtbewe­gungen bei, die heute vor allem durch regionale Stellvertreterkriege verursacht wer­den. Diese Kriege bergen eskalierende Risiken derart, daß es anstelle der militäri­schen Konfrontation zwischen regionalen Stellvertretern zum direkten Schlagab­tausch der Atommächte dieser Welt kommen kann. Das wird auch an der forcierten Kriegspropaganda gegen Rußland und der NATO-Truppenstationierung an dessen Westgrenze deutlich.

Zudem wird seit kurzem in Deutschland eine eigene Verfügungsgewalt über Atom­waffen in die Debatte gebracht. Die ohnehin bereits vorhandene atomare Teilhabe soll damit einen offiziellen Charakter bekommen, als gäbe es keinen für Deutschland völkerrechtlich verbindlichen Atomwaffensperrvertrag. Hingegen haben sich Ende Oktober 2016 in der UN-Vollversammlung zwei Drittel der Mitglieder für Verhand­lungen über ein Atomwaffenverbot, d. h. einer völkerrechtlichen Ächtung dieser Waffen in 2017 ausgesprochen, natürlich gegen den Widerstand der Atommächte (China, Indien und Pakistan enthielten sich immerhin der Stimme) und den NATO-Staaten. Diese arbeiten statt dessen an milliardenschweren atomaren Aufrüstungs­programmen: die USA mit neuen nuklearen Lenkgeschossen, mit denen die in Büchel einsatzbereit stationierten nuklearen Fallbomben „modernisiert“ werden sollen, sowie Großbritannien mit dem innenpolitisch als Milliardengrab in der Kritik stehendem Programm zur Modernisierung der nuklearen Trident-U-Boote. Bei den weltweiten Rüstungsausgaben haben die NATO-Staaten einen Anteil von mindestens 60 Prozent, bei Einschluß von engen NATO-Partnern wie Israel und Japan sogar von 70 Prozent.

Beim G20-Gipfel in Hamburg vertreten die anwesenden Staatschefs etwa zwei Drittel der Weltbevölkerung und etwa 90 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung. Von diesen könnten deshalb auch Impulse ausgehen für globale Zusammenarbeit zur Lösung der dringenden Menschheitsprobleme. Dann hätte auch der G20-Gipfel seine Berechtigung. Jedoch stellt dieser durch die Dominanz der NATO – und der ebenfalls im Kanon der Aufrüstungspolitik vertretenen EU-Staaten – kein Forum für Lösungen, sondern ein Teil des Problems dar.

Die Friedensbewegung beteiligt sich an den Gegenaktionen zum G20-Gipfel in Ham­burg mit eigenen Beiträgen zu geplanten Gegenveranstaltungen und der für den 8. Juli geplanten Großdemo.

Karl-Heinz Peil ist Mitglied beim Bundesausschuß Friedensratschlag

Fünf Gründe, in Hamburg gegen die G20 zu protestieren

Wenn im Juli die Staatschefs zusammenkommen, erwartet die Stadt die größten Proteste ihrer Geschichte.

Die 20 Staats- und Regierungschefs, die sich am 7. und 8. Juli in Hamburg treffen werden, repräsentieren große Industrie- und Schwellenländer sowie die EU und treffen sich seit 2008 in diesem Kreis. Die Asienkrise hatte 1999 zur ersten Einberu­fung des Gremiums als informelles Treffen der Finanzminister geführt. Auch das Treffen der Chefs 2008 war eine Reaktion auf eine Krise, nämlich die beschönigend Finanz- und Bankenkrise genannte Krise des globalen Kapitalismus.

Die Bundesregierung beschreibt auf ihrer offiziellen G20-Webseite das Gremium „als das bedeutendste Forum für wirtschafts- und finanzpolitische Zusammenarbeit“. Der selbsterhobene Anspruch der Versammelten besteht also darin, den modernen Kapi­talismus zu managen, seine Krisen zu bewältigen und vor allem die Weltwirtschaft, sprich die Kapitalverwertung, in Schwung zu halten. Das mißlingt ihnen offensicht­lich gründlich, und zwar nicht nur, weil sie unfähig wären, sondern weil sie die falschen Rezepte anwenden. Die Themen benennt wiederum die Bundesregierung: „geopolitische Konflikte, Terrorismus, Migrations- und Fluchtbewegungen, Armut und Hunger sowie voranschreitender Klimawandel und Epidemien“.

Wer wollte dieser Problembeschreibung widersprechen? Wenn man allerdings auf die Lösungsansätze schaut, die von G20-Regierungen propagiert werden, dann finden wir nur alte Rezepte, die schon in der Vergangenheit ihre Untauglichkeit bewiesen haben, wie Wirtschaftswachstum, Freihandel, Schaffung privater Investitionsmöglichkeiten und in deren Folge umfassender Sozialabbau.

Auch ein genauerer Blick auf die Einzelthemen lohnt sich:

1. Geopolitische Konflikte und Terrorismus

Syrien, Irak, Afghanistan, Kongo, Ukraine, Jemen. Jeder dieser Kriege kann sich noch weiter ausdehnen. An jedem sind gleich eine ganze Reihe G20-Länder beteiligt, und nirgendwo verfügen sie über erfolgversprechende Ideen der Deeskalation und Friedensstiftung. Auch terroristische Gruppen haben ihre eigene Logik und entstehen nicht einfach nur als Folge des Agierens Dritter. Aber die wesentlichste Ursache für ihre in den letzten Jahren ständig wachsende Basis liegt in der Politik der G20, nicht zuletzt in deren Kriegen.

2. Migrations- und Fluchtbewegungen

Inzwischen weit über 60 Millionen Menschen haben nicht nur ihr Zuhause, sondern dabei auch ihr Land verlassen. Das tun sie in großer Zahl nur dann, wenn ein Leben dort unmöglich ist. Im Sommer 2015 waren die zehn wichtigsten Herkunftsländer von Geflohenen in Deutschland: Syrien, Albanien, Kosovo, Afghanistan, Irak, Serbien, Eritrea, Mazedonien, Pakistan, Nigeria. In jedem dieser Länder haben G20-Staaten in den letzten Jahren Krieg geführt, regionale Konflikte akzeptiert oder verstärkt. Für jedes gilt, was die Gruppe „Kanak Attak“ schon vor über einem Jahrzehnt formulierte: „Wir sind hier, weil ihr unsere Länder zerstört.“

3. Armut und Hunger

Obwohl der Anteil der Hungernden an der Weltbevölkerung gesunken ist, haben immer noch mehr als 800 Millionen Menschen nicht genug zum Essen. Dabei werden nach wie vor Nahrungsmittel für fast 12 Milliarden Menschen jährlich produziert. Hunger ist ein Verteilungsproblem und als solches eng mit dem Kapitalismus verbunden, in dem nur versorgt wird, wer bezahlen kann. Institutionen wie die Weltbank und der Internationale Währungsfonds, die bei den G20 regelmäßig mit am Tisch sitzen, haben mit ihren Programmen viel dazu beigetragen, daß Unterstüt­zungsmaßnahmen für die Ärmsten, die es in zahlreichen Ländern gab, beendet wurden.

4. Voranschreitender Klimawandel

Die G20 sind für 82 Prozent der weltweiten Kohlendioxidemissionen verantwortlich.

5. Epidemien

Verarmung, Abschaffung staatlicher Gesundheitsvorsorge, ausbleibende Finanzie­rung der Weltgesundheitsorganisation und dafür Förderung privater Organisationen wie der Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung haben wesentlichen Anteil an der sich ver­schlechternden Gesundheitssituation in vielen Ländern der Welt.

Es sind also genau die Verursacher und Antreiber all der genannten Probleme, die sich im Juli in Hamburg versammeln werden. Dabei haben sie inzwischen auch massive Widersprüche untereinander, so daß es naiv wäre zu erwarten, daß sie mehr tun, als das Ganze trotz verschiedener Störungen am Laufen zu halten.

Sowohl die führenden Neoliberalen (May aus Großbritannien, Abe aus Japan, Merkel aus der BRD u. a.), als auch autoritär geführte Staaten wie Rußland, China, die Türkei oder Saudi-Arabien und rechtsradikale, rassistische Regimes wie Indien, Brasilien, Mexiko sind dabei, und natürlich fehlen auch die korrupten Regierungschefs aus Südkorea oder Südafrika nicht. Ein besonderes Glanzlicht wird dieses Jahr Donald Trump aus den USA sein. Vielleicht kommt auch noch Marine Le Pen aus Frankreich dazu.

Nicht nur die von Grund auf falsche Politik, sondern auch dieses Personal zeigt, daß die G20 Teil des Problems und nicht der Lösung sind. Wer sich solche Figuren ein­lädt, hat sich selbstverständlich auch den internationalen Protest eingeladen. Also auf nach Hamburg!

Werner Rätz (attac)