RotFuchs 204 – Januar 2015

Für freimütige Debatten
über Zukunftsmodelle

Dr. Dieter Müller

Leider erhalte ich erst seit kurzer Zeit den „RotFuchs“. Es ist mir ein Bedürfnis, der Redaktion, den vielen Autoren und allen Mitwirkenden für den Mut und die hohe Qualität der Zeitschrift zu danken. In dieser komplizierten Welt ist es unabdingbar, solche sachlich fundierten Informationen zu erhalten, wie sie von Ihnen zur Verfügung gestellt werden.

Wir leben unter Bedingungen einer manipulierten Informationspolitik, die nur darauf gerichtet ist, die Macht des Kapitalismus zu sichern und die Menschen vom Erkennen der wahren Hintergründe des Geschehens fernzuhalten. Ich war und bin davon überzeugt, daß der Sozialismus erstmals im historischen Verlauf dazu in der Lage gewesen wäre, die Hauptursachen der verhängnisvollen globalen Entwicklungen zu beseitigen, die allein im Kapitalismus zu suchen sind.

In Diskussionen mit Freunden und Bekannten stelle ich immer wieder fest, daß Verunsicherung, ja auch Angst vor der Zukunft mehr und mehr das Denken und Handeln der meisten Menschen prägen. Oftmals herrscht Resignation, die sich nicht zuletzt in Politikmüdigkeit offenbart. Ein Ausdruck dafür ist die geringe Beteiligung an Wahlen.

Ein früherer Mitstreiter beim Aufbau des Sozialismus in der DDR hält nur noch die derzeitige Gesellschaftsordnung für möglich, wobei er in einem Schreiben an mich allerdings einräumt: „Die heutige Realität, geprägt von hoher Wirtschaftskraft, erinnert mich dennoch immer an das Ende der DDR: Fast alle sind sich einig, daß es so, wie es ist, nicht weitergehen kann, doch keiner sagt, was zu tun ist.“

Beim Lesen Ihrer Zeitschrift fällt mir auf, daß Geschichte und Gegenwart den Schwerpunkt bilden, was ich für enorm wichtig halte. Dennoch bleibt für mich die Frage: Welche Perspektive bieten wir den Heranwachsenden? Reicht die Auseinandersetzung über das Für und Wider bisheriger philosophischer Modelle und Gesellschaftsordnungen aus? Ich würde mir wünschen, wenn Erörterungen zu diesem Thema auch im „RotFuchs“ einen höheren Stellenwert erhielten. Dabei bin ich mir darüber im klaren, daß eine freimütige Debatte darüber zu inhaltlichen Auseinandersetzungen führen könnte. Aber gibt es einen anderen Weg als einen solchen Dialog?

1948 wurde die Charta der Menschenrechte verkündet. Es war richtig, sie als Handlungslinie der Völkergemeinschaft zu definieren. Aber werden die Menschenrechte nicht auch von derzeit Herrschenden angemahnt, denen es in Wirklichkeit nur um ihre Machtinteressen geht? Und um noch mehr Geld für die Reichen, noch weniger für die übergroße Zahl der Armen. Artikel 1 der Charta lautet: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geist der Brüderlichkeit begegnen.“

Doch wo stehen wir heute tatsächlich? Gilt dies auch für die Palästinenser oder für die einstigen Bürger der DDR, die seit 1990 in einem nie gekannten Ausmaß enteignet wurden? Und was ist mit den Menschen in Asien und Afrika, die für Löhne schuften müssen, welche nicht einmal ausreichen, ihre nackte Existenz zu sichern? Was ist mit den Millionen und aber Millionen Jugendlichen ohne Arbeit, Ausbildung und Perspektive in vielen kapitalistischen Ländern? Wo liegen die Grenzen für das Wüten der Konzerne, die pausenlos Wälder abholzen, die Weltmeere verunreinigen und die Luft verpesten? Und wie steht es mit dem Verhalten der USA, der EU und der NATO gegenüber Rußland? Wie sind die weltweiten Waffenexporte der BRD einzuordnen?

Auf der einen Seite stehen die 30 Artikel der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, auf der anderen die weltweite Realität.

Aus meiner Sicht wäre es sinnvoll, mit Hilfe Ihrer Zeitschrift eine wirkliche Diskussion über Zukunftsmodelle der menschlichen Gesellschaft zu führen. Bitte betrachten Sie meine Zeilen als einen Standpunkt unter vielen, der dazu beitragen soll, die Debatte zu dieser äußerst komplizierten Problematik anzuregen.