RotFuchs 201 – Oktober 2014

„Ich sah heut’ Nacht Joe Hill im Traum …“

Gert Thiede

Am 15. November 1965 erschien in der „Leipziger Volkszeitung“ zum 50. Todestag des Arbeiterführers ein Artikel mit der Überschrift: „Joe Hill ist nicht tot“. Autor war Prof. Dr. Karl-Heinz Wirzberger, ein führender Amerikanist der DDR und Rektor der Berliner Humboldt-Universität.

In seinem Beitrag hieß es: Dieses Lied über Joe Hill, das Alfred Hayes schuf und das Earl Robinson wie Paul Robeson gesungen haben, ist um die Welt gegangen. Auch in dem Drama „The Man Who Never Died“ (Der Mann, der niemals starb) von Barrie Stavis lebt sein Andenken.

Am 19. November 1915 wurde der Arbeiter Joe Hill, der schwedischer Abstammung war, im Hof des Zuchthauses von Salt Lake City im USA-Bundesstaat Utah erschossen. Joe kam als junger Mann kurz nach der Jahrhundertwende in die Vereinigten Staaten, wo er im Gebiet der Westküste als Gewerkschaftsorganisator und Dichter von Arbeiterliedern bekannt wurde.

Als Mitglied der IWW (Industrial Workers of the World), des linken militanten Flügels der amerikanischen Arbeiterbewegung, war Joe Hill den „Ordnungshütern“ besonders suspekt. Das wurde im Gewerkschaftsblatt „Solidarity“ bestätigt. Am 3. Januar 1914 hieß es dort: „Jetzt werden im ganzen Land verstärkte Anstrengungen unternommen, Mitglieder unserer Organisation unter dem einen oder anderen Vorwand einzusperren.“

Nachdem am 10. Januar 1914 ein ehemaliger Polizist und dessen Sohn erschossen worden waren, verhaftete man Joe Hill und klagte ihn des Mordes an. Er wurde aufgrund fragwürdiger Indizien zum Tode verurteilt. Joe Hill mußte sterben, obwohl sich über die IWW eine weltweite Protestbewegung formiert hatte. Sie reichte von in der AFL organisierten Arbeitern, deren Sprecher Tom Mooney und Warren K. Billings wenig später ein ähnliches Schicksal erleiden mußten, bis zum Episkopalischen Bischof Paul Jones, Schwedens Botschafter Ekengren und USA-Präsident Woodrow Wilson, der zweimal persönlich intervenierte. Besonders mutig kämpfte die IWW-Organisatorin und spätere Vorsitzende des Nationalkomitees der KP der USA Elizabeth Gurley Flynn, die Dank und Anerkennung in Joe Hills berühmtem Lied „The Rebel Girl“ (Das Rebellenmädchen) gefunden hat, für dessen Freilassung.

Die Asche Joe Hills wurde, seinem Wunsch entsprechend, auf allen Kontinenten verstreut. Seine Lieder künden noch heute vom Kampf und Einsatz für die Sache des arbeitenden Volkes. Sie ersetzen Denkmal und Grabstein.