RotFuchs 224 – September 2016

In der DDR zum Antifaschismus erzogen

Beate Wesenberg-Schlosser

Im Jahr 1953 in der DDR (Berlin) geboren, verbrachte ich dort meine Kindheit, meine Jugend, mein Leben bis zur Annexion. Ich lernte, studierte (Jura an der Humboldt-Universität), arbeitete und lebte in diesem, meinem Land.

Wer behauptet, eine Aufarbeitung der faschistischen Vergangenheit Deutschlands sei in der DDR nicht erfolgt, und diese Zeit sei in der Schule nicht thematisiert worden, der hat keine Kenntnis vom Bildungssystem der DDR, der weiß weder etwas über die Inhalte der Lehrpläne noch etwas über Literatur und Kunst dieses Landes.

Anders als in der BRD war die Zeit von 1933 bis 1945, war die Vermittlung von Kenntnissen über die Ursachen, den Beginn und das Ende des Zweiten Weltkriegs Bestandteil der schulischen Bildung, die von Rostock bis Suhl einheitlich umgesetzt worden ist. Die Ehrung der Opfer dieser Zeit kam auch zum Ausdruck in der Gestaltung der Konzentrationslager zu Mahn- und Gedenkstätten, in Gedenktafeln und Straßenbenennungen nach Widerstandskämpfern wie Ernst Thälmann, Dietrich Bonhoeffer oder den Geschwistern Scholl. Bereits unmittelbar nach der Konterrevolution wurden viele Straßen und Plätze in der früheren DDR, die die Namen von Widerstandskämpfern trugen, umbenannt – und das unabhängig davon, ob diese Sozialisten, Kommunisten oder Christen waren. Im Gegensatz dazu waren in der alten BRD Kasernen, Plätze und Straßen nach Menschen benannt, die in der Wehrmacht aktiv waren, oder nach Politikern, die bereits während des Faschismus Karriere gemacht hatten.

Ich bin Atheistin, im Sinne des Sozialismus, Kommunismus und Antifaschismus erzogen. Vorurteile und Haß gegenüber Menschen, die anders denken, anders glauben, anders aussehen, anders leben, sind mir fremd. Ich respektiere jede Überzeugung und jeden Glauben, sofern sie nicht im Interesse von Macht, Gier, Unterdrückung und Entmenschlichung mißbraucht werden.

Sehr früh schon erfuhr ich von den während der Zeit des Faschismus begangenen Verbrechen, von den Nürnberger Rassegesetzen, vom Überfall Hitlerdeutschlands auf Polen, von den Untaten vieler Soldaten der Wehrmacht, der Angehörigen der SS und der Gestapo gegenüber Polen, Franzosen, Ungarn, Belgiern, dem Sowjetvolk, der jüdischen Bevölkerung in all diesen Ländern, bei der Vertreibung aus ihren Häusern, der anschließenden Deportation in Konzentrationslager oder zur Zwangsarbeit nach Deutschland, der Ermordung Unzähliger. Diese Nationen stehen stellvertretend für das millionenfache, willkürliche Morden der Deutschen und das unvorstellbare Leid, das der Faschismus über die Welt brachte.

Dieses Wissen vermittelte man uns im Geschichtsunterricht, ich erweiterte es während des Studiums und vertiefte es durch Bücher, Prozeßdokumente, Berichte Überlebender, Dokumentarfilme sowie historische Abhandlungen. In Vorbereitung der Jugendweihe fuhr meine Klasse (ich war 14 Jahre alt) nach Weimar und besuchte auch das Konzentrationslager Buchenwald. Von unserem Lehrer hörten wir, ergänzend zum Unterricht, mehr über die Geschichte Deutschlands während der Jahre 1933 bis 1945, vom Zweck der Konzentrationslager und den Verbrechen, die dort begangen wurden.

Ich war 15 Jahre alt, als ich zum ersten Mal das Konzentrationslager Auschwitz besichtigte. Nicht nur einmal war ich dort! In späteren Jahren besuchte ich auch die Konzentrationslager Sachsenhausen, Ravensbrück und Theresienstadt.

Ich gedachte der Opfer des Faschismus in Kazimierz (Kraków), in Warszawa (Jüdisches Ghetto) und auf Venedig.

Es sind nicht nur gläubige Menschen, die der Opfer des Völkermords an den Juden gedenken, sich gegen Antisemitismus in Deutschland wehren und Stellung beziehen. Alle progressiven Kräfte, unabhängig von ihrem Glauben oder ihrer Weltanschauung,  haben einen gemeinsamen Feind – das Kapital. Dieser Feind kann nur mit vereinten Kräften besiegt werden.

Unlängst fand ich im GNN-Verlag, Schkeuditz, neben anderen hochinteressanten Büchern, das Buch „Völkermord statt Holocaust. Jude und Judenbild im Literaturunterricht der DDR“ von Matthias Krauß. Mit diesem Buch polemisiert der Autor gegen die weitverbreitete und immer wieder – zu Propagandazwecken – gern benutzte Lüge, in der DDR sei eine Auseinandersetzung mit dem Völkermord nicht erfolgt. Völkermord – neudeutsch Holocaust genannt, in der alten BRD so bezeichnet seit dem gleichnamigen US-amerikanischen Film. Übrigens setzt sich der Autor auch mit den Ursachen und Gründen der Verwendung des Begriffes „Holocaust“ auseinander und entwickelt dazu interessante, durchaus nachvollziehbare Theorien.

Daß es sich bei dem Vorwurf der Nichtaufarbeitung des Holocaust in der DDR um eine Zweckbehauptung handelt, die sich in eine Vielzahl von Unwahrheiten, historischen Verzerrungen bis hin zu gezielten Lügen einreiht, welche nur den Zweck der Diskreditierung der DDR und damit der sozialistischen Idee verfolgen, wissen die Leser des „RotFuchs“. Wissen sollten das aber darüber hinaus auch alle, die in den Genuß des DDR-Bildungswesens kamen! Man erinnere sich nur an Romane wie „Nackt unter Wölfen“, „Das siebte Kreuz“, „Wie der Stahl gehärtet wurde“, „Nathan der Weise“, „Professor Mamlock“, „Abschied“, „Jakob der Lügner“, die hier nur beispielhaft aufgeführt sind, an Gedichte, Lieder und vieles mehr.