RotFuchs 202 – November 2014

Nicaragua baut den
Großen Interozeanischen Kanal

Wolfgang Herrmann

Am 19. Juli beging man in Nicaragua den 35. Jahrestag des Sieges der Sandinistischen Volksrevolution über die Somoza-Diktatur. In seiner Festansprache verkündete Präsident Daniel Ortega, der Große Interozeanische Kanal durch Nicaragua werde kommen. Damit erfüllt sich die Vision Sandinos von einer Verbindung zwischen Atlantik und Pazifik.

Die Planung des Bauwerks läuft seit 2012. Nicaraguas Nationalversammlung beschloß damals, das Megaprojekt an die HKND Group des chinesischen Unternehmers Wang Jing aus Hongkong zu vergeben.

Ein Wort zu den technischen Daten: 286 km Länge, davon 80 km durch den Nicaragua-See; 230–520 m Breite; 27,6–30 m Tiefe. Der Kanal wird die Durchfahrt von Containerschiffen, Frachtern und Tankern mit einer Kapazität bis zu 400 000 Tonnen erlauben. 5100 Schiffe sollen ihn im Jahr passieren können. Für den Transit werden 30 Stunden benötigt. Zum Kanal werden zwei Schleusen gehören: eine auf der Pazifikseite, die andere zur Karibik hin. Das Projekt umschließt eine Eisenbahnlinie, Ölleitungen, zwei Tiefseehäfen, zwei internationale Airports und zwei Freihandelszonen an den Mündungsseiten. Es wird etwa 40 Milliarden US-Dollar kosten. Nicaragua will 51 % der Anteile halten.

Vier unter fünf in eine Umfrage des Instituts M & R einbezogene Nicaraguaner äußerten, sie hielten den Großen Interozeanischen Kanal für ein seriöses Projekt, während 12,7 % Einwände erhoben und einen Erfolg bezweifelten. Für und Wider waren in Hunderten Beratungen mit der Bevölkerung diskutiert worden.

Die Mehrheit der Nicaraguaner hat also das Vorhaben, die Sandinistische Revolution mit diesem gigantischen Bauwerk in ihre zweite Etappe zu führen, akzeptiert: Auf die politische soll jetzt die wirtschaftliche Unabhängigkeit folgen. Managua will damit der extremen Armut und den zu erwartenden ernsten Folgen des Klimawandels entgegenwirken.

Um beide Aufgaben lösen zu können, muß das mittelamerikanische Land ein jährliches Wirtschaftswachstum von mindestens 8 Prozent erreichen. Derzeit liegt es zwischen 4 und 5 %. Nicaragua verspricht sich vom Kanalprojekt diese Steigerung und zugleich die Erwirtschaftung der für das Bauwerk erforderlichen Mittel. Der Kanal soll auch Wasser für die Felder der Bauern liefern.

Für das Vorhaben ist eine Bauzeit von fünf Jahren veranschlagt worden.