RotFuchs 233 – Juni 2017

NVA und Bundeswehr waren
unvereinbar wie Feuer und Wasser

Generalmajor a. D. Heinz Bilan

Aus gegebenem Anlaß wandte sich Generalmajor a. D. Heinz Bilan aus Leipzig mit einem Brief an die Stadt, den wir hier abdrucken.

In Nummer 5 des „Leipziger Amtsblattes“ vom 11. März wird eine neue Ausstellung über die „Armee der Einheit“ mit der Überschrift „Über Nacht Kameraden“ avisiert. Jeder „vom Fach“ weiß, daß beides alles andere als historische Wahrheit ist und auch nicht sein konnte. Die Bundeswehr der BRD und die Nationale Volksarmee der DDR waren aus vielen Gründen unvereinbar. Die Mär von dieser Einheit wurde bewußt in Bonn erfunden. Die 11 000 NVA-Angehörigen, die in der Bundeswehr Aufnahme fan­den, stellten nicht mal 10 % der Stärke der NVA dar. Sehr viele von ihnen verließen nach kurzer Zeit die Bundeswehr wieder. Der größere Teil der NVA – voran das Offi­zierskorps – sah sich einer Welle der Verfolgung und Diskriminierung ausgesetzt. Daß sie Jahrzehnte eine Armee befehligt hatten, die nie in feindlicher Absicht frem­des Territorium betreten hatte – in der deutschen Militärgeschichte ein einmaliger Vorgang –, die auch dafür sorgten, daß im Herbst 1989 die Waffen in den Kasernen blieben, fand keine Bewertung, geschweige denn Anerkennung. Im Gegenteil: zig NVA-Angehörige wurden vor Gericht gestellt und nach fremden Gesetzen verurteilt, obwohl sie nach DDR-Gesetzen ehrenvoll ihre Pflicht erfüllt hatten. Auch die UNO hat das nie anders bewertet. Tausende litten viele Jahre unter von der BRD verhängten Strafrenten, die erst nach BVG-Urteil als Unrecht qualifiziert und danach per Gesetz notgedrungen verändert werden mußten. Wieder weitere Tausende wurden nach Entlassung alleingelassen. Weder die Bundeswehr noch andere staatliche Organe unterstützten sie. Und das seien „über Nacht Kameraden“?

Bundeswehrsoldaten in Litauen

Bundeswehrsoldaten in Litauen

Die zum großen Teil ungenügend politisch gebildete Jugend glaubt solchen Aussagen – zumal sie gebetsmühlenartig wiederholt werden. Schon allein die unvollständigen Fakten machen deutlich: Von einer „Armee der Einheit“ kann keine Rede sein. Viel­leicht würde eine Umfrage unter den Betroffenen diese Erkenntnis erhärten. Nicht wenige würden ganz sicher bekennen, daß sie froh sind, nie Angehörige jener deut­schen Armee gewesen zu sein, die schon kurz nach Auflösung des Warschauer Ver­trages in den ersten Krieg nach 1945 – gegen Jugoslawien – zog, die heute mit mehreren Kontingenten die Interessen der NATO mit Waffengewalt wahrnimmt und die schon wieder mit Panzern an der russischen Grenze steht.

Nein – es gab diese „Armee der Einheit“ nie. Die beiden deutschen Armeen verhielten sich zueinander wie Feuer und Wasser. Wenn die Auflösung der NVA trotzdem fried­lich verlief, dann war das vor allem ihrem Charakter als sozialistische Volksarmee, dem Selbstverständnis ihrer Soldaten, Unteroffiziere, Offiziere und Zivilbeschäftigten zu danken.

Wer das anders beurteilt, verdreht die historische Realität. Wir haben die Waffen des Volkes Jahrzehnte ehrenvoll getragen und sie, dem Willen der Mehrheit folgend, auch aus der Hand gelegt. Wir lassen uns auch heute nicht unsere Würde nehmen. Die Mär von der „Armee der Einheit“ ist und bleibt eine Lüge.