RotFuchs 230 – März 2017

Revolutionäres aus dem Hinterzimmer

Brunhild Hauschild

Ja, es gibt sie noch, die Hinterzimmer! Was vor 70 und mehr Jahren einfach zu jeder Kneipe gehörte, schien in den letzten Jahrzehnten ins Vergessen zu geraten. Die Tradition, im Hinterzimmer separat seinen Interessen nachzugehen, ging vorerst
– fast – verloren. Kein Bedarf. Die Vereine schufen sich eigene Treffpunkte, die Dirnen empfingen ihre Freier in eigenen Separees. Die Menschen im östlichen Teil des neu entstehenden Deutschlands hatten anderes zu tun, als sich in Hinterzimmern zu versammeln. Und sie öffneten sich für ihresgleichen, trafen sich in den Wohnungen, den Gärten. Sie brauchten sich nicht zu „verstecken“, alle hatten viel verloren und waren gleichgesinnt, hofften auf eine friedliche und bessere Zeit. Nun, das ist schon eine Weile her…

Vor kurzem erhielt ich eine Einladung. In ein Lokal. Die eintreffenden Menschen grüßten sich und mich, obwohl ich keinen kannte. Sie gingen schnurstracks durch die gastronomischen Räumlichkeiten hindurch und – öffneten eine Hintertür in ein größeres Schlauchzimmer mit einer eingedeckten Tafel und einem Präsidium.

Mit Butzenglas eingefaßte Fenster, alte Holztäfelung, zwei Nischen als Garderobe. Auf der Tafel standen Gläser und Mineralwasserflaschen, dazwischen lag Info-Material. Plötzlich umarmte mich jemand stürmisch und zart zugleich: Bruni Steiniger. Wiedersehensfreude! Nun fühlte ich mich dazugehörig. Es stellte sich heraus, daß die Anwesenden, meist ältere „RotFuchs“-Leser, keine feste Heimstatt hatten. Man mietete sich ein, mal bei der Volkssolidarität, mal im Kietzclub, je nach der zu erwartenden Teilnehmerzahl. Und es stellte sich ebenso heraus, daß es, wie vor 70 und mehr Jahren, Probleme mit den – staatsnahen – Einrichtungen gab. Man war nicht gerne gesehen. Auch hier regiert das Geld.

Die Veranstaltung lief friedlich ab, die älteren Bürger randalierten nicht, schrien auch keine Parolen. Fast wartete ich auf den Beschluß, Flugblätter zu fertigen. Eine Sammelbox ging herum, es wurde um Stuhlgeld gebeten. Viele gaben mehr – als freiwillige Spende für die Fertigung der kostenlosen Zeitschrift.

Der revolutionäre Beschluß zum Ende der Veranstaltung haute mich dann doch um: Wir sprachen uns für eine Straßenbenennung nach Ruth Werner aus, eine Unterschriftenliste ging von Hand zu Hand. Viele neugewählte Abgeordnete des (rot-rot-grünen) Bezirks sollen sich wohlwollend zu diesem Vorhaben ausgesprochen haben und die Namensgebung unterstützen. Es wäre zu schön, wenn das klappen würde!