RotFuchs 234 – Juli 2017

Rußland – die größte Bedrohung
für die Sicherheit der USA?

Oberst a. D. Dr. hc. Gerhard Giese

In den letzten drei Jahren haben die USA gegenüber Rußland eine Politik der aggressiven Bedrohung betrieben. Noch kurz vor Machtantritt des neuen US-Präsidenten haben die alten Eliten Haß- und Dämonisierungsaktivitäten gegen Rußland in Kraft gesetzt, die zu einem Antistart führten. Dazu gehörten u. a. neue Sanktionen gegen den russischen Finanz- und Öl-Sektor, die Ausweisungen russischer Diplomaten, eine hysterisierte Propaganda, die Zuspitzung der Konfrontation an der Westgrenze Rußlands, in Syrien, der Ukraine, dem Jemen.

Sie wollten damit vor allem gute Beziehungen USA – Rußland langfristig unmöglich machen und dem neuen Präsidenten der USA und Rußland schaden. Das ist einmalig. Der Ehrenvorsitzende des Präsidiums des Rates für Außen- und Militärpolitik Rußlands, Sergej Karaganow, stellte dazu fest: „Die USA haben eine Reihe politischer und militärischer Niederlagen im Nahen Osten, in Afghanistan sowie Einflußverluste in Asien, aber auch solche in Sicherheitsfragen zu erklären, für die man Rußland verantwortlich machte und mit Sanktionen und Isolationspolitik bestrafte.“

Die Trump-Administration strebt, trotz großer Gegenwirkung anderer Machtzentren im eigenen Land, in globalen Fragen einen Konsens mit den Hauptkonkurrenten Rußland, China und Indien an. Diese inneren Widersprüche treiben die USA beim Kampf um die Durchsetzung eigener Interessen zu einem nicht adäquaten Einsatz militärischer Mittel, wie der Schlag gegen die syrische Luftwaffenbasis al-Schairat zeigte. Für Rußland geht es darum, die Isolation durch die USA und andere Mächte zu über­winden, die Anerkennung als global agierende Großmacht zu erreichen sowie die Ausdehnung der USA und der NATO in russisches Interessengebiet aufzuhalten und nach Möglichkeit zurückzudrehen; die militärische Bedrohung soll möglichst auf das Niveau von 2001 zurückgeführt werden.

Die Interessen der USA und Rußlands könnten unterschiedlicher nicht sein. Die USA haben die gleichzeitige Abschreckung zweier so starker global agierender Konkur­renten wie Rußland und China verfolgt und leisteten sich dabei einen strategischen Fehler, der die Hauptkonkurrenten der USA zusammenbrachte. Rußland ist z. Z. das einzige Land der Erde, welches die USA mit seinen Kernwaffen und seinem wachsen­den konventionellen Potential mehrfach vernichten könnte. Weiterhin haben die USA den antirussischen und prowestlichen Putsch in der Ukraine finanziert und leisten dem Nachputsch-Regime bis heute militärische Unterstützung. Der damalige Chef der CIA, O. Brennan, gab in einem Interview zu, daß die USA Kriminelle zur Auslösung der Unruhen auf dem Maidan und im Donbass nutzten, was wie auch in Syrien zu vielen Toten und Verletzten führte.

Als aber Rußland die Bewohner der Krim und des Donbass ebenfalls unterstützte, antworteten die USA und ihre Partner mit Sanktionen. Ab diesem Moment machten die Eliten des Westens und deren Propagandaapparat Rußland zum größten „Bedroher“ der Sicherheit der USA und der NATO-Staaten. Der damalige Chef des Pentagons, Ashton Carter, legte in dieser Situation die Rolle Rußlands als lang­jährigen Gegner fest, denn man brauchte für die Propaganda und die Profite einen vorzeigbaren Gegenspieler. Ein existentielles Interesse haben die USA an der weltweiten Kontrolle der Rohstoff- und Energieträgerförderung sowie an dessen Transport und Verkauf, weil Letzterer meist immer noch in Dollar abgewickelt wird und für die USA Profite ohne Gegenleistung abwirft. Rußland reagierte und verkauft immer mehr Partnern Rohstoffe und Energieträger gegen Landeswährung und verringert so seine Abhängigkeit vom Dollar.

Demokratisierungsmissionen, „farbige Revolutionen“ und Cyber-Aktionen werden von den USA zur Einflußnahme auf die inneren Angelegenheiten anderer Staaten sowie zur Erweiterung ihres Einflußgebietes finanziert und genutzt. Damit eröffneten die USA weitere Konfliktfelder gegenüber Rußland.

Rußlands eigene Interessen bestehen darin, die Sanktionen des Westens und die eigenen Gegensanktionen zu nutzen, um die Wirtschaft auszubauen, strategisch wichtige sowie exportträchtige neue Technologien und Erzeugnisse zu entwickeln, die Armee und andere Staatsorgane auf Vordermann zu bringen sowie zu einem selbstbestimmten und sozial stabilen Staat zu werden.

Konflikte entstehen, wenn unterschiedliche Interessen von Staaten aufeinander­treffen und wenn Regeln zur Konfliktlösung fehlen. Konflikte zwischen den beiden Ländern entstanden bisher hauptsächlich bei der aggressiven und unnachgiebigen Durchsetzung von Zielen und Interessen durch die USA gegen russische Interessen. Rußland wurde dadurch zu Reaktionen gezwungen, da stets die Existenz, die Souve­ränität und die Stellung des Landes in der Welt auf dem Spiel standen.

Über allem schwebt der Konflikt der Supermächte auf dem Gebiet der Kernwaffen. Beide Länder halten ihre Kernwaffenkräfte, die den Sozialfonds Unsummen für Modernisierungen und Erneuerungen entziehen, bereits 15 Jahre lang in ständiger Einsatzbereitschaft. Rußland muß größte Anstrengungen unternehmen, um das annähernde Gleichgewicht der Kernwaffen-Triaden aufrechtzuerhalten. Vernunft, Verträge, die Verringerung der Kernwaffenpotentiale und deren Kontrolle, die Unterbindung der Weiterverbreitung sowie ein Moratorium zu neuen Kernwaffen wären notwendige Schritte für ein Überleben der Menschheit.

Zum besseren Verstehen der Konflikte zwischen den USA und Rußland sei auf den Syrienkonflikt verwiesen, der die dort handelnden Koalitionen bereits mehrfach an den Rand eines großen Krieges brachte. Der Kampf um die Befreiung Aleppos vom IS, an der Nusra-Front und der mit diesen verbündeten bewaffneten Opposition zeigte die Gegensätzlichkeit der Interessen beider Seiten. US-Piloten griffen Einheiten der syrischen Armee an und töteten und verletzten Hunderte syrische Soldaten, darunter auch russische Ausbilder. Als Antwort vernichteten russische Flugzeuge eine geheime Basis mit Spezialkräften der westlichen Seite und Israels.

Die USA-Koalition, die für die Teilung Syriens und die Ablösung Assads kämpfte, beanspruchte Aleppo als zweite Hauptstadt. Die russische Koalition schützt den demokratisch gewählten Präsidenten und den Erhalt des Staates Syriens. Aus dieser gegensätzlichen Interessenlage entstand ein unversöhnlicher militärischer Konflikt. Die Seiten stellten sich Ultimaten. Die Einnahme Aleppos durch die syrisch-russisch-iranische Koalition machte die USA-Koalition zu Verlierern. Diese Art der Kampfhand­lungen wiederholte sich mehrere Male. Rußland behielt die Nerven, band auch die bewaffnete Opposition in die Verhandlungen ein und befriedete Tausende Orte und Gebiete.

Die alten US-Eliten suchten Rache und zwangen den Präsidenten mittels einer Gift­gasprovokation mit vielen Opfern, die Assad angelastet wurden, einen Luftschlag zur Vernichtung der syrischen Air-Base al-Schairat zu befehlen. Die USA brachen damit wiederum internationales und nationales Recht. Ein sofortiger Antwortschlag Rußlands hätte zu einem großen regionalen Krieg führen können. Diplomatische Bemühungen konnten das Schlimmste verhindern: US-Außenminister Tillerson war trotz alledem in Moskau und sein Gegenpart Lawrow in Washington. Dennoch gibt es wegen der unterschiedlichen Interessen kein gemeinsames Handeln der Koalitionen.

Neue russisch-türkische Vorschläge aus Astana zur Einrichtung von Schutzzonen standen bei den Genfer Syrienverhandlungen zur Debatte, und auch Assad ist noch an der Macht. Putin äußerte dazu im französischen Fernsehen: „Die einzige mögliche Variante eines Machtwechsels in Syrien ist die Durchführung von demokratischen Wahlen unter internationaler Kontrolle.“