RotFuchs 226 – November 2016

Stimmen aus aller Welt über die DDR
(Folge 5)

RotFuchs-Redaktion

Solange der sozialistische deutsche Staat, die DDR, existierte, haben sich immer wieder Persönlichkeiten aus der ganzen Welt bei oder nach Besuchen über die DDR geäußert. Zum 30. Jahrestag am 7. Oktober 1979 hat die Auslandpresseagentur Panorama DDR über hundert solcher Stellungnahmen in einem Buch vereint. Entstanden ist so ein Mosaik persönlicher Erfahrungen und Erkenntnisse, die jeweils ein Stück gesellschaftlicher Wirklichkeit widerspiegeln. Stellvertretend für die anderen werden wir in den nächsten Monaten einige dieser Äußerungen veröffentlichen – Älteren zur Erinnerung, Jüngeren zur Verdeutlichung dessen, was die DDR für die Welt – und für uns – war.

Arvid Rundberg (1932–2010)

Arvid Rundberg (1932–2010)

Schriftsteller, Schweden

Ein Stück lebendige Geschichte ist mir zu einem guten Freund geworden. Er ist 71 Jahre alt und wohnt seit 1972 in Berlin, in dem Teil, der heute die Hauptstadt der DDR ist. 1978 habe ich mein 16. Buch veröffentlicht; es baut auf dem auf, was mir mein Freund über sein Leben erzählt hat. Er heißt Fritz Bradtke und wurde 1928 Zimmermann. Im gleichen Jahr trat er dem Rotfrontkämpferbund bei. Im Jahr darauf der Kommunistischen Partei Deutschlands. Das Buch heißt „Memoiren eines deutschen Arbeiters“ (En tysk arbetares memoarer) – und genau das ist es auch. Einer von Hunderttausenden deutschen antifaschistischen Arbeiterveteranen schildert die Entwicklung, die dahin führte, daß deutsche Arbeiter den 30. Jahrestag der Entstehung der DDR feiern können. Unser Buch ist keine wissenschaftliche Arbeit, aber es baut auf der stillen Wissenschaft der arbeitenden Hände auf.

Einen besseren Ausgangspunkt für die Schilderung der Geschichte des eigenen Landes und des persönlichen Anteils an dieser Geschichte kann man sich kaum vorstellen.

Fritz lebt heute als Rentner in einer Gesellschaft, für die er in handgreiflichem Klassenkampf schon 20 Jahre vor Gründung der DDR gerungen hat. Er wurde von der SA mißhandelt, von der SS und der Gestapo gequält. Er hat jahrzehntelang gehungert. Seine Schwester verhungerte 1917, seine eigene Tochter 1945, sein Bruder wurde von den Faschisten ermordet, und seine Ehefrau Erna wäre von der SS im Mai 1945 an einem Laternenpfahl gehenkt worden, wäre nicht im rechten Augenblick ein sowjetischer Panzervortrupp in ihre Straße im Prenzlauer Berg vorgestoßen.

Im März 1914 wurde Fritz Bradtke in die Volksschule des Kaiserreiches eingeschult. Als im November 1918 die Republik ausgerufen wurde, war er eben 11 Jahre alt geworden. Im Januar 1919 ging er mit denen, die Karl Liebknecht zu Grabe trugen, fiel aber dabei vor Hunger in Ohnmacht. Im Januar 1933 ging er mit Hunderttausenden anderen Berlinern in einer letzten gewaltigen antifaschistischen Demonstration. Das war eine Woche vor der Machtübernahme der Faschisten, und Fritz hungerte wieder.

Fritz Bradtke war als junger Zimmermann und Amateurboxer politisch bewußt engagiert. Er zimmerte tagsüber die Zukunft und verteidigte als Rotfrontkämpfer abends auf politischen Versammlungen das Recht auf eine Zukunft.

Er hat Hitler und Goebbels gesehen und gehört, er hat Thälmann, Pieck und Ulbricht auf Versammlungen im Sportpalast und in sogenannten Saalschlachten im Wedding verteidigt; vor seinen Augen hat er Weltgeschichte sich abspielen sehen, aber er hatte nie viel übrig für das Spektakuläre, und er überläßt es anderen, den Flügelschlag der Geschichte zu schildern.

Die Wissenschaft der arbeitenden Hände. Das ist das Fundament, auf dem die DDR ruht. Der Sozialismus ist es, der diese Wissenschaft ständig artikuliert, der nicht abläßt, sie aus der Stille hervorzuholen. Ein Stück lebendige Geschichte ist mir zu einem guten Freund geworden, das hat mich zu einem Freund der DDR gemacht.

Die Bekanntschaft mit Fritz hat Tausende Schweden auf gleiche Weise zu Freunden der DDR gemacht. Das ist das Wunderbare mit Büchern: Man kann Verständnis und damit Freundschaft vermitteln. Fritz’ Erzählung über sein Leben ist zugleich die Erzählung über unser aller Leben, über Geschichte, die heute auch unser Leben formt.

Die stille Wissenschaft der arbeitenden Hände. Diese Hände sind ohne Zweifel die größten Schätze aller Länder. Die Stille wird artikuliert und in Handlung umgesetzt, wenn der Sozialismus den Kapitalismus ablöst. Die Schätze können gehoben werden.

Für uns, die wir im kapitalistischen Europa leben, für uns, die wir uns für den Frieden einsetzen, ist die Wissenschaft der arbeitenden Hände lebensnotwendig. Deshalb ist die Deutsche Demokratische Republik eine Lebensnotwendigkeit für Europa, ein schwerwiegender Friedensfaktor, den auf jede Weise zu verteidigen und bekannt zu machen wir im Westen allen Anlaß haben.

General Francisco da Costa Gomes (1914–2001)

General Francisco da Costa Gomes (1914–2001)

Mitglied des Präsidiums des Weltfriedensrates, ehemaliger Präsident der Republik Portugal

Die Bevölkerung der DDR hat in den vergangenen 30 Jahren unvorstellbare Anstrengungen unternommen, um die schweren Folgen von Krieg und Faschismus zu überwinden und den Lebensstandard zu erreichen, wie ihn heute die Menschen in Ihrem Land besitzen. Ich habe hier in der DDR wichtige Probleme gelöst vorgefunden oder solche, die sich in bezug auf die Gleichheit, den Wohlstand und das Glück des gesamten Volkes auf dem Wege der Lösung befinden.

Das Volksbildungssystem scheint mir insgesamt umfassend und sehr harmonisch entwickelt zu sein. Lehrer, Erzieher, Familien und Betriebe arbeiten eng zusammen. Ob Kinderkrippe, Kindergarten, die zehnjährige Pflichtschule, berufliche Ausbildung oder die Universität – alle Einrichtungen stehen jedem in gleicher Weise offen. Dieses demokratische Bildungssystem, das niemanden diskriminiert, ist sehr effektiv und gibt allen Jugendlichen die gleichen Chancen, im Leben zu werden, wozu sie befähigt sind. Das ist in meinen Augen eine der positivsten Errungenschaften des Volkes der DDR. Ich habe schon in verschiedenen Ländern die Organisation der Bildung studiert und festgestellt, daß es allerorten gebildete Leute gibt – aber nirgendwo habe ich etwas Vergleichbares entdecken können.

Es ist ein sehr großer Vorteil für die Menschen, wenn sie keine Angst um ihren Arbeitsplatz zu haben brauchen. Und in der DDR ist eines der wichtigsten Grundrechte, das Recht auf Arbeit, dank der Planung für alle Bürger voll verwirklicht. Arbeitslosigkeit, wie man sie in den Ländern des Kapitals beobachten kann, ist eine schwere Bürde für die Betroffenen. So gesehen ist es eine überaus menschliche Tat der DDR, keine Arbeitslosigkeit zuzulassen.

In der internationalen Politik spielt die DDR eine wesentliche Rolle. Ihre Position ist stark geprägt von der geographischen Lage, und das macht sie zu einem äußerst wichtigen Faktor insbesondere für den Frieden in Europa. Allein die Existenz eines sozialistischen deutschen Staates vermindert die Kriegsgefahr. Gäbe es ihn nicht, wer weiß, ob sich Europa dieser langen Friedensperiode erfreuen könnte.

Die DDR hat in ihrer Verfassung jegliche Propaganda von Krieg und Aggression und alles, was dahin führen könnte, vollständig verboten. Das ist zugleich ihre grundlegende Position in internationalen Fragen. So wissen heute viele Länder der Welt, daß die DDR zu jenen gehört, die immer das Streben der Völker nach Frieden unterstützen werden. Mir scheint, daß solche Länder, wie es die DDR als Mitglied des Warschauer Vertrages und Portugal als Mitglied der NATO sind, sich dafür einsetzen sollten, daß das aufgehäufte Militärpotential in Europa verringert wird und es letztlich zu einer Auflösung der Militärblöcke kommt. Das wäre der radikalste, aber auch sicherste Schritt zum Frieden.