RotFuchs 232 – Mai 2017

Die Menschen in Syrien wollen verzweifelt Frieden

Stoppt endlich den „Regime-change-Krieg“!

Tulsi Gabbard

Während sich in Washington viele auf die Amtseinführung von Präsident Donald Trump vorbereiteten, verbrachte ich im Januar eine Woche auf einer Informationstour in Syrien und im Libanon, um die Menschen dort zu sehen und Informationen von ihnen zu bekommen. Ihre Lebensgrundlagen wurden von einem schrecklichen Krieg zerstört, der Hunderttausende getötet und Millionen gezwungen hat, auf der Suche nach Frieden aus ihrem Heimatland zu fliehen.

Es ist jetzt klarer als je zuvor: dieser Regime-change-Krieg (ein Krieg zur Beseitigung einer unerwünschten Regierung, RF) dient nicht dem Interesse der USA, und gewiß liegt er nicht im Interesse des syrischen Volkes.

Ich bereiste Damaskus und Aleppo und hörte Syrern aus verschiedenen Teilen des Landes zu. Ich traf vertriebene Familien aus dem Ostteil von Aleppo, aus Rakka, Zabadani, Latakia und aus den Vororten von Damaskus. Ich traf syrische Oppositionsführer, die die Proteste 2011 anführten, Witwen und Kinder von Männern, die für die Regierung kämpften und Witwen von solchen, die gegen die Regierung kämpften. Ich traf den neu gewählten Präsidenten des Libanon Aoun und Premierminister Hariri, die US-Botschafterin im Libanon Elizabeth Richard, den syrischen Präsidenten Assad, Großmufti Hassoun, Erzbischof Denys Antoine Chahda von der syrisch-katholischen Kirche in Aleppo, muslimische und christliche Religionsführer, humanitäre Helfer, Akademiker, Studenten, kleine Geschäftsleute und viele andere.

Zerstörungen in Aleppo

Ihre Botschaft an das amerikanische Volk war machtvoll und übereinstimmend: Es gibt keinen Unterschied zwischen „gemäßigten“ Rebellen und Al-Quaida (al-Nusra) oder ISIS – das ist alles dasselbe. Das ist ein Krieg zwischen Terroristen unter dem Kommando von Gruppen wie ISIS und Al-Quaida einerseits und der syrischen Regierung andererseits. Die Menschen flehen die Vereinigten Staaten von Amerika und andere Länder an, mit der Unterstützung derjenigen aufzuhören, die Syrien und seine Menschen zerstören.

Immer und immer wieder hörte ich diese Botschaft von denen, die unaussprechliche Schrecken erlitten und überlebt haben. Sie baten mich, ihre Stimme an die Welt weiterzugeben, verzweifelte Stimmen, die nicht gehört wurden aufgrund der falschen, einseitigen Berichte, welche eine Propaganda förderten, die diesen Regime-change-Krieg auf Kosten von syrischen Leben unterstützt.

Ich hörte Augenzeugenaussagen darüber, wie friedliche Proteste gegen die Regierung, die 2011 begannen, schnell von wahabitischen Jihadistengruppen wie Al-Quaida (al-Nusra) übernommen wurden, welche von Saudi-Arabien, der Türkei, Katar, den Vereinigten Staaten von Amerika und anderen Ländern finanziert und unterstützt wurden. Diese nützten die friedlichen Demonstranten aus, besetzten ihre Gemeinwesen und töteten und folterten Syrer, die im Kampf gegen die Regierung nicht mit ihnen kooperierten.

Ich traf ein muslimisches Mädchen aus Zabadani, die 2012 im Alter von 14 Jahren von „Rebellen“ entführt, immer wieder geschlagen und vergewaltigt wurde, die wütend waren, weil ihr Vater, ein Schafhirt, ihnen nicht sein Geld gab. Sie erlebte voller Schrecken, wie maskierte Männer ihren Vater in ihrem Wohnzimmer ermordeten und dabei ihr gesamtes Magazin voll Patronen auf ihn feuerten.

Ich traf einen Jungen, der entführt wurde, als er auf der Straße ging, um Brot für seine Familie zu kaufen. Er wurde gefoltert, mit der Wasserfolter („waterboarding“) und mit Stromschlägen, wurde an ein Kreuz gefesselt und ausgepeitscht, und das alles, weil er sich weigerte, den „Rebellen“ zu helfen – er sagte ihnen, daß er in die Schule gehen wollte. So behandeln die „Rebellen“ die Menschen in Syrien, die nicht mit ihnen kooperieren oder deren Religion ihnen nicht paßt.

Obwohl sie gegen die Regierung Assad ist, brachte die politische Opposition ihre unerbittliche Ablehnung des Einsatzes von Gewalt zur Erreichung politischer Reformen zum Ausdruck. Sie sagen, daß, wenn die wahabitischen Jihadisten, die von Regierungen aus dem Ausland unterstützt werden, den syrischen Staat erfolgreich stürzen würden, Syrien und seine lange Geschichte einer säkularen pluralistischen Gesellschaft zerstört würden, in der Menschen aller Religionen friedlich zusammengelebt haben. Obwohl diese politische Opposition weiterhin Reformen anstrebt, steht sie fest zum syrischen Staat, solange ausländische Regierungen mit jihadistischen Terroristengruppen zwecks Regime change einen Stellvertreterkrieg gegen Syrien führen, während sie friedlich für ein stärkeres Syrien für alle Syrer arbeitet.

Menschen in Not in Aleppo

Ursprünglich hatte ich nicht die Absicht, Assad zu treffen, aber als sich die Gelegenheit dazu ergab, hatte ich das Gefühl, daß es wichtig war, sie zu nutzen. Ich denke, daß wir bereit sein sollten, mit jedem zu sprechen, wenn eine Chance besteht, daß das dazu beiträgt, diesen Krieg zu beenden, der den Menschen in Syrien so viel Leiden bringt.

Ich kehre zurück nach Washington DC mit noch größerer Entschlossenheit, dazu beizutragen, unseren illegalen Krieg zum Sturz der syrischen Regierung zu beenden. Vom Irak bis Libyen und jetzt Syrien haben die Vereinigten Staaten von Amerika Kriege mit dem Ziel von Regimewechsel geführt, von denen jeder zu unvorstellbaren Leiden, verheerendem Verlust von Leben und der Stärkung von Gruppen wie Al-Quaida und ISIS geführt hat.

Ich fordere den Kongreß und die neue Administration auf, sofort auf die Bitten der Menschen Syriens zu reagieren und das „Stop Arming Terrorists Act“ (Gesetz zur Beendigung der Bewaffnung von Terroristen) zu unterstützen. Wir müssen aufhören, direkt oder indirekt Terroristen zu unterstützen – direkt, indem wir Rebellengruppen, die mit Al-Quaida und ISIS verbunden sind, Waffen, Ausbildung und logistische Unterstützung zur Verfügung stellen, und indirekt durch Saudi-Arabien, die Golfstaaten und die Türkei, die ihrerseits diese terroristischen Gruppen unterstützen. Wir müssen unseren Krieg zum Sturz der syrischen Regierung beenden und unsere ganze Aufmerksamkeit auf die Zerschlagung von Al-Quaida und ISIS konzentrieren.

Die Vereinigten Staaten von Amerika müssen aufhören, Terroristen zu unterstützen, welche Syrien und seine Menschen zerstören. Die Vereinigten Staaten von Amerika und andere Länder, die diesen Krieg in Gang halten, müssen sofort damit aufhören. Wir müssen dem syrischen Volk die Möglichkeit geben, zu versuchen, sich von diesem furchtbaren Krieg zu erholen.

Tulsi Gabbard ist Abgeordnete (Demokratischen Partei) von Hawaii im US-Repräsentantenhaus.

Quelle: antiwar.com;
Übersetzung: antikrieg.com, redaktionell bearbeitet