RotFuchs 206 – März 2015

Von der „Grünen Mappe“ zum „Grauen Plan“

Erhard Römer

Wenn man wieder einmal aufräumt, tritt mitunter viel Vergangenes zutage. Zum Beispiel Broschüren wie jene von 1966 mit der Rede Prof. Albert Nordens auf einer seiner von manchen so gefürchteten internationalen Pressekonferenzen. Zu den Themen gehörte diesmal das Wirken eines „Forschungsbeirats für Fragen der Wiedervereinigung Deutschlands beim Bundesministerium für Gesamtdeutsche Fragen“. Zitat Norden: „Dieser … Forschungsbeirat plant bis in alle Einzelheiten, wie in der DDR die Herrschaft des Rüstungskapitals und der Großagrarier wiedererrichtet werden könnte, welche Betriebe und Werke der Bevölkerung der DDR gestohlen und welche ihrer demokratischen und sozialistischen Einrichtungen und Errungenschaften zunichte gemacht werden sollen.“ So könne man dem im Frühjahr 1961 ausgearbeiteten „Grauen Plan“ entnehmen, „wie Wirtschaft und Gesellschaft Mitteldeutschlands zu formen, zu integrieren und entsprechend den Grundsätzen der Markt- und Wettbewerbswirtschaft zu ordnen“ sein würden. Die Dauer der „Transformation und Integration“ solle „so kurz wie möglich“ bemessen werden.

Norden: „Laut Grauem Plan sollen aus den volkseigenen Betrieben der DDR ‚marktwirtschaftlich aktionsfähige Wirtschaftseinheiten‘ geschaffen werden, da auf diese Weise die private unternehmerische Initiative besonders wirkungsvoll zur Geltung kommen kann.“ Und damit nicht der geringste Zweifel daran besteht, wessen Herrschaft der „Forschungsbeirat“ in der DDR wiedererrichten und wessen Rechte er beseitigen wolle, heiße es wörtlich im Grauen Plan: daß „Arbeitgeberverbände gebildet werden“ und andererseits „die Befugnisse des FDGB erlöschen“.

Auf dem Dorf würde die „Überführung der landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften in privatwirtschaftliche Betriebsformen“ dekretiert. Grund und Boden, lebendes und totes Inventar seien in „möglichst kurzer Frist“ und „bevorzugt“ solchen Personen zu übergeben, „denen durch die sowjetzonale Bodenreform der Besitz entschädigungslos entzogen worden ist, oder deren Erben“.

Norden resümierte: „Wie die Grüne Mappe mit den Plänen zur Ausraubung der Sowjetunion Bestandteil der militärischen Planung Hitlers und Görings war, so ist der Graue Plan integrierender Teil der militärischen Vorbereitungen der herrschenden Kreise in Bonn.“

Norden charakterisierte die 13 Mitglieder des „Forschungsbeirates“ so: Prof. Karl Thalheim war einer der fanatischsten Verfechter der Ostmission des deutschen Imperialismus; Prof. Werner Busch zählte in den besetzten Gebieten der UdSSR zu den Hauptverantwortlichen für den Raub von Fabriken und Maschinen, Vieh und Getreide sowie für die Verschleppung Hunderttausender Sowjetbürger; Dr. Hans Gareis war seit Februar 1934 für die Verbreitung der nazistischen Staatsidee von „Blut und Boden“ des faschistischen Reichsnährstands zuständig. Nach dem Überfall auf Polen leitete er die Abteilung Ernährung und Landwirtschaft beim Generalgouverneur in Krakau, welche die einheimische Bevölkerung von Haus und Hof vertreiben ließ; Prof. Georg Blohm leitete die Gruppe II des „Landwirtschaftlichen Stabes beim Oberverwaltungschef für das besetzte Gebiet in Polen“; Dr. Hans von Boeckh, Vizepräsident des „Forschungsbeirates“, war enger Mitarbeiter von Gauleiter Seyß-Inquart, Reichskommissar für die besetzten niederländischen Gebiete.

Wollen wir es bei dieser Kostprobe der BRD-Politik vor rund 40 Jahren, die es gewiß verdient hätte, gründlicher aufgearbeitet zu werden, bewenden lassen. Sie verdeutlicht immerhin, um was für eine Wende es sich 1989/90 gehandelt hat.