RotFuchs 219 – April 2016

Vor 40 Jahren wurde der Palast
der Republik eingeweiht

Dr. Ulrich Sommerfeld

Der Palast der Republik befand sich am Berliner Marx-Engels-Platz und wäre am 23. April vierzig Jahre alt geworden. Symbol des „Unrechtsstaates DDR“, wurde er unter dem Vorwand der Asbestverseuchung zunächst geschlossen und später abgerissen. Seine Beseitigung war eine rein politische Entscheidung, die 2003 im Bundestag fiel.

Der Aufbau des Palasts begann im Oktober 1973. Die Baupläne dafür entwarf ein Kollektiv der DDR-Bauakademie unter Leitung von Heinz Graffunder. Der Palast wurde dort errichtet, wo einst das im Zweiten Weltkrieg zerstörte Berliner Stadtschloß gestanden hatte. Er sollte ein großes modernes Gebäude werden, das sich in das Ensemble der historischen Berliner Mitte einpaßte.

Das Vorhaben erwies sich als nicht einfach, weil eine Art schwimmendes Fundament im sumpfigen Boden neben der Spree gebaut werden mußte. Viele Pfähle waren in den Untergrund zu rammen.

Die BRD ließ das Haus des Volkes …

Beim Aufbau des Palasts unterstützten Spezialkräfte der Nationalen Volksarmee die Bauarbeiter. Der Gebäudekomplex war planmäßig mit 250 Millionen DDR-Mark berechnet, kostete aber wahrscheinlich etwas mehr als das Doppelte. Im Unterschied zu heutigen Mega-Bauten der BRD, die oft die geplanten Kosten um ein Vielfaches überschreiten, wurde der Palast termingerecht eröffnet. Er hatte eine Länge von 180 und eine Breite von 86 Metern. Das Gesims war 25 und der Saalbau 32 Meter hoch. Die Foyers umfaßten mehr als 11 900 qm und dienten für Veranstaltungen. Im Großen Saal fanden bis zu 5000 Personen Platz. Im Palast konnte gegessen, getrunken, getanzt und Bowling gespielt werden. Es gab 13 gastronomische Einrichtungen, von denen das Palastrestaurant mit mehr als 300 Plätzen das größte war. Insgesamt hatte die Gastronomie des Palasts fast 1500 Plätze. Bekannt waren das Café Espresso, die Milchbar, die Bierstube, der Jugendtreff und das Spreerestaurant. Die Preise waren moderat, auch für kleine Einkommen erschwinglich. Etwa 1800 Angestellte sorgten für einen angenehmen Aufenthalt der Gäste.

Im westlichen Teil des Gebäudes befand sich die DDR-Volkskammer. Das DDR-Parlament, das auf der Grundlage einer vom Volk beschlossenen Verfassung gewählt wurde, bedurfte keiner Bannmeile.

Der Palast war ein Anziehungspunkt nicht nur für Hauptstadtbesucher, sondern auch für viele Berliner. Hier trafen sich Kinder und Familien. Entsprechend viele und sehr beliebte Veranstaltungen wurden durch die Mitarbeiter des Hauses organisiert.

Der Palast war das kulturelle Zentrum der Hauptstadt der DDR. Großer Beliebtheit erfreute sich das weithin bekannte Theater im Palast (TiP) mit seinen vielen erfolgreichen Inszenierungen, Erst- und Uraufführungen.

National und international bekannte Autoren stellten ihre Werke im Palast vor. Zu ihnen zählten Erwin Strittmatter, Christa Wolf, Heiner Müller, Günter Grass, Stanislaw Lem und Dschingis Aitmatow. Der Große Saal war immer gefüllt, gleich ob klassische oder Rockkonzerte oder Revuen auf dem Programm standen. Viele bekannte Musiker aus dem In- und Ausland traten im Palast auf, so die Puhdys, Silly, Ute Freudenberg, Harry Belafonte und James Last. Er beherbergte auch eine Reihe von Kunstwerken, die seit der „Wende“ in irgendwelchen Depots verschwunden sind. Wahrzeichen des Hauses war die Gläserne Blume von Reginald Richter und Richard Wilhelm. Im Foyer konnte man 16 Großgemälde betrachten. Zu ihren Schöpfern gehörten Willi Sitte, Werner Tübke, Walter Womacka, Bernhard Heisig, Wolfram Schubert, René Graetz und Günter Brendel. Im Palast fanden zahlreiche nationale und internationale Kongresse und Tagungen statt.

… in einen Trümmerhaufen verwandeln.

2006 begann der endgültige Abriß dieses herrlichen Gebäudes, nachdem der Palast bereits zuvor entkernt worden war. Das Haus des Volkes wurde in 78 000 t Schutt verwandelt. Die Abrißkosten sollen rund 120 Millionen Euro betragen haben. Der schwedische Stahl der Grundkonstruktion wurde zum Teil eingeschmolzen und an Volkswagen oder nach Dubai verscherbelt.

Sicherlich werden Hunderttausende einstige DDR-Bürger noch gute Erinnerungen an den Palast der Republik bewahren und an Kinder wie Enkel weitergeben. Er war eine bauliche und technische Meisterleistung, die einer einmaligen inhaltlichen Konzeption entsprang.

Im Areal, auf dem der Palast stand, lassen die Bundesregierung, das Land Berlin und eine ihnen dienende Stiftung jetzt die Attrappe des Stadtschlosses als ein Memorial des Preußentums aus Beton errichten. Es zeichnet sich ab, daß dieser Bau ein neues Millionengrab wird. Vorsichtshalber hat die Regierung der BRD die Kosten vorerst bei 590 Millionen Euro gedeckelt. Ein Haus des Volkes wird das umstrittene „Humboldt-Forum“ keineswegs, eher eine Inszenierung reaktionärer deutscher Selbstverklärung.