RotFuchs 210 – Juli 2015

War das Volkseigentum
ein „geschenkter Gaul“? [1]

Klaus Hilmar Luckau

Der Beitrag von Wolfgang Giensch aus Neubrandenburg, der die Frage aufwirft, warum die Arbeiter ihr Volkseigentum nicht besser verteidigten, hat mich sehr beschäftigt. Doch der Vergleich unserer VEBs mit einem geschenkten Gaul bringt mich auf die Palme. Im volkseigenen Betrieb gab es keine Ausbeutung des Menschen durch den Menschen. Das ist ein historisches Verdienst unserer Großväter, Väter und der folgenden Generation. Sie haben nach dem Sieg der Roten Armee und der Westalliierten über den deutschen Faschismus den Auftrag des Potsdamer Abkommens wahrgenommen, den Imperialismus samt seiner Wurzeln dauerhaft zu zerstören. Schon kurz nach der Befreiung wandte sich die KPD an alle Deutschen mit ihrem programmatischen Aufruf, der forderte, den Monopolisten, Bankiers und Großgrundbesitzern das Eigentum an den Produktionsmitteln entschädigungslos zu entziehen, um so die gesellschaftlichen Grundlagen für Rüstung und Kriegstreiberei zu beseitigen. Die Westalliierten reagierten darauf mit Marshallplan und Finanzspritzen für Konzerne wie Krupp und Thyssen, die Chemiemagnaten und die Herren der Grundstoffindustrie, wodurch sie das Fundament für die Wiederherstellung der ökonomischen und politischen Macht des Großkapitals im Westen legten.

Ich habe bei Großeltern und Eltern, aber auch bei Bekannten und Verwandten Freude darüber verspürt, daß Großbetriebe wie Solvey und Wintershall in Bernburg, Krupp in Magdeburg oder die Besitzer von Buna und Leuna enteignet wurden. Nicht geringer war ihre Genugtuung über die Ausschaltung der feudalen Großgrundbesitzer durch die Bodenreform.

Weder die volkseigenen Betriebe noch die landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften oder die Volksgüter waren ein Geschenk, sondern das Ergebnis des oftmals erbittert geführten Klassenkampfes der Arbeiter und ihrer Partei im Bunde mit anderen gesellschaftlichen Kräften, wobei man die aktive Hilfe der Sowjetarmee keineswegs vergessen darf. Ich kenne viele Menschen, die all das mit ihrer Hände Arbeit vollbracht haben, und kannte auch einige, die dabei sogar ihr Leben durch Einwirkung innerer und äußerer Feinde verloren.

Als 80jähriger kann ich nicht bestätigen, daß das Volkseigentum „den Arbeitern der DDR quasi geschenkt“ worden ist. Übrigens weiß ich, wovon ich spreche. Ich war über 20 Jahre in einem elektronischen Großbetrieb Leiter des Bereichs „Soziale Betreuung und Ferienwesen“. Meine Abteilung fiel 1990 als erste der Abwicklung zum Opfer.