Ware und Geld

3.1
Die einfache, einzelne oder zufällige Wertform

Der Tauschwert ist die Form des Wertes, in der er im Austauschprozeß erscheint, und die Proportion, in der sich zwei Waren untereinander austauschen. Er hat sich geschichtlich entwickelt. Die Geschichte des Warenaustausches und damit der Entwicklung der Wertformen reicht bis in die Urgesellschaft zurück. Die älteste Wertform trat in Gestalt der einfachen, einzelnen oder zufälligen Wertform auf. Wie schon der Name sagt, handelt es sich hierbei um das historisch älteste, logisch einfachste Wertverhältnis, nämlich das einer Ware zu einer einzigen verschiedenartigen Ware. Die Formel dafür lautet:

x Ware A = y Ware B
oder
x Ware A ist y Ware B wert

Dieser Austauschprozeß vollzog sich vereinzelt und zufällig, wobei meistens zeitweilige Überschüsse zwischen verschiedenen Gemeinwesen, Stämmen usw. ausgetauscht wurden. „Der Tauschhandel“, erläutert Marx, „worin der Überfluß der eignen Produktion zufällig gegen den der fremden ausgetauscht wird, ist nur das erste Vorkommen des Produkts als Tauschwert im allgemeinen und wird bestimmt durch zufällige Bedürfnisse, Gelüste etc.“63 Die Produkte wurden nicht unmittelbar für den Austausch produziert. Demzufolge hatte die Herstellung der Produkte noch nicht den Charakter der Warenproduktion. Die Arbeitsprodukte wurden durch zufälligen und gelegentlichen Austausch der Waren verwandelt.

Das vereinzelt und zufällig auftretende Wertverhältnis einer Ware zu einer einzigen verschiedenartigen Ware ist ein Ausdruck zufälliger, vorübergehender direkter gesellschaftlicher Beziehungen zwischen den Gemeinwesen (Stämmen usw.). Die Gemeinschaften sind noch wesentlich durch urwüchsig gesellschaftliches oder Gruppeneigentum an den Produktionsmitteln verbunden. Die gesellschaftliche Arbeitsteilung ist kaum entwickelt.

In dieser ersten der vier Entwicklungsetappen des Wertverhältnisses sind die Existenzbedingungen der einfachen Warenproduktion, Privateigentum an den Produktionsmitteln und gesellschaftliche Arbeitsteilung, nur dem Keim nach vorhanden, ebenso der Grundwiderspruch der einfachen Warenproduktion, der Widerspruch zwischen privater und gesellschaftlicher Arbeit.64 Infolgedessen steht auch der Wert als Produkt der abstrakten Arbeit und als maßgebliche sozialökonomische Ausdrucksform der einfachen Warenproduktion erst am Anfang seiner Entwicklung. Dieser historischen Situation entspricht der einfachste Wertausdruck für eine Ware, den das Wertverhältnis zweier Waren liefert.65

Aber schon die einfache, einzelne oder zufällige Wertform zeigt das Wesentliche aller Wertformen. Der Wert der Ware A soll ausgedrückt werden, und es zeigt sich, daß dies nur relativ, das heißt mit Hilfe einer zweiten Ware, der Ware B geschieht und geschehen kann. Jeder Wertausdruck hat demzufolge zwei Pole. Die Ware A, die ihren Wert ausdrückt, befindet sich in der relativen Wertform und bildet den einen Pol. Die Ware B, worin Wert ausgedrückt wird, befindet sich in der Äquivalentform und bildet den anderen Pol.

In dem Wertverhältnis der Ware A gilt die Ware B als ihr qualitativ Gleiches, da in beiden Waren abstrakte Arbeit enthalten ist und demzufolge beide Waren einen Wert besitzen. Und in diesem Verhältnis gilt die Ware B nur nach der Wertseite, gilt als verkörperter Wert. Die Naturalform der Ware B wird zur Wertform der Ware A. Auf diese Weise erhält die Ware A eine von ihrer Naturalform verschiedene Wertform. „Der Wert einer Ware ist (also) selbständig ausgedrückt durch seine Darstellung als ‚Tauschwert’.“ Diese eigene, von der Naturalform der Ware verschiedene Erscheinungsform besitzt der Wert „nur im Wert- oder Austauschverhältnis zu einer zweiten, verschiedenartigen Ware“.66

Für die Erkenntnis des Wesens des Geldes ist die Analyse der Äquivalentform wichtig. In dem angeführten Beispiel kann noch jede Ware, rein zufällig, in der Äquivalentform auftreten. Trotzdem zeigt sie bereits alle Besonderheiten, die später das Geld, als allgemeines, von allen akzeptiertes Äquivalent, auszeichnet. Marx zeigt, daß die Äquivalentform, die als Äquivalent dienende Ware, immer drei Besonderheiten hat:

1. Der Gebrauchswert der Ware B wird zur Erscheinungsform seines Gegenteils, des Wertes. Das wird besonders in der Formulierung deutlich, die Ware A sei ein bestimmtes Quantum „der Ware B wert“. Obwohl es sich bei der Ware B immer um einen ganz bestimmten, konkreten Gegenstand handelt, also um Getreide, Fisch, Fleisch usw., wird dieser jeweilige Gebrauchswert im Rahmen des Wertausdrucks nur verwendet, um den Wert der Ware A auszudrücken.

2. Damit wird zugleich die konkrete Arbeit, die der Ackerbauern, Fischer oder Viehzüchter, zur Erscheinungsform ihres Gegenteils, der abstrakten, wertbildenden Arbeit. Die Ware, die sich in der Äquivalentform befindet, gilt im Austauschprozeß als Verkörperung abstrakter Arbeit, also gleicher und vergleichbarer Arbeit.

3. Die dritte Besonderheit der Äquivalentform besteht darin, daß die private Arbeit zur Arbeit in unmittelbar gesellschaftlicher Form wird, deren Produkt mit anderer Ware unmittelbar austauschbar ist. Zugleich wird im Austauschprozeß die in der Äquivalentform der Ware, also der Ware B vergegenständlichte Arbeit als gesellschaftliche Durchschnittsarbeit anerkannt.

Gebrauchswert, konkrete und private Arbeit jener Ware, die sich in der Äquivalentform befindet, werden also generell zu Erscheinungsformen ihres jeweiligen Gegenteils, des Wertes, der abstrakten und der gesellschaftlichen Arbeit.

Damit erfaßt Marx bereits bei der Analyse der einfachen, einzelnen oder zufälligen Wertform wichtige Wesenszüge des Geldes, des allgemeinen Äquivalents: Die zur Produktion der Geldware aufgewandte Arbeit ist, im Gegensatz zu aller anderen warenproduzierenden Arbeit, von vornherein als gesellschaftliche, abstrakte und damit wertbildende Arbeit anerkannt. In der Geldware erscheint eine Seite des Doppelcharakters jeder Ware, nämlich ihre Werteigenschaft, verselbständigt.

Die gesellschaftliche Funktion und allgemeine Anerkennung der Geldware äußert sich ganz einfach darin, daß man Geld ohne Schwierigkeiten gegen jede Art anderer Waren austauschen kann, während es äußerst schwierig und mitunter unmöglich sein kann, irgendeine beliebige Ware gegen Geld auszutauschen.

Im Wertausdruck der Ware A vertritt die Ware B eine gesellschaftliche Eigen-schaft beider Waren, die gemeinsame Wertsubstanz, abstrakte Arbeit. Während aber die relative Wertform der Ware A selbst andeutet, daß sie ein gesellschaftliches Verhältnis von Warenbesitzern verbirgt, scheint die Ware B ihre Äquivalentform von Natur aus zu besitzen. Hier liegt der Ursprung des Rätselhaften der Geldform. Marx löst das Rätsel schon bei der Analyse des einfachsten Wertausdrucks, indem er zeigt, daß die Äquivalentform keine natürliche Eigenschaft der Ware, sondern etwas rein Gesellschaftliches ist.

Im Austauschverhältnis tritt der Widerspruch zwischen den besonderen natürlichen Eigenschaften der Ware und ihren allgemeinen gesellschaftlichen Eigenschaften, zwischen Gebrauchswert und Wert, als Widerspruch zwischen den beiden Polen des Wertausdrucks, zwischen relativer Wertform und Äquivalentform, deutlicher hervor. Die Ware A, die sich in der relativen Wertform befindet, gilt unmittelbar nur als Gebrauchswert. Die Ware B, die sich in der Äquivalentform befindet, gilt unmittelbar nur als Wert. Der Widerspruch zwischen der relativen Wertform und der Äquivalentform ist somit die Entwicklungsform, die äußere Ausdrucks- und Erscheinungsform des in der Ware enthaltenen Widerspruchs zwischen Gebrauchswert und Wert.67

Der Darstellung des in der Ware eingehüllten inneren Widerspruchs von Gebrauchswert und Wert durch den äußeren Widerspruch, das heißt durch das Widerspruchsverhältnis zweier Waren, worin die eine Ware sich in der relativen Wertform befindet und die andere in der Äquivalentform, liegt der Grundwiderspruch der einfachen Warenproduktion zugrunde. Die auf die Ware A verwendete Arbeit der Warenproduzenten gilt unmittelbar nur als konkrete, private Arbeit. Die auf die Ware B verwendete Arbeit gilt unmittelbar nur als gesellschaftliche, abstrakte Arbeit mit der sozialen Funktion, die Produkte über den Austausch dem Verbrauch zuzuführen und so die gesellschaft-lichen Beziehungen der durch das Privateigentum an den Produktionsmitteln voneinander isolierten, aber durch die gesellschaftliche Arbeitsteilung miteinander verbundenen Produzenten zu realsieren.

Die Widersprüchlichkeit des Wert- oder Austauschverhältnisses und damit des Wertausdrucks wird durch die Besonderheiten der Äquivalentform deutlich charakterisiert. Sie ist zunächst nur dem Keim nach vorhanden, gesellschaftlich noch keinesfalls typisch. Die Scheidung von relativer Wertform und Äquivalentform ist noch gar nicht stabil, sondern kommt zufällig zustande und zerfällt auch immer wieder. Sie hat das Innere der Gemeinwesen überhaupt noch nicht erfaßt. „Die einfache Wertform einer Ware“, schreibt Marx, „ist also die einfache Erscheinungsform des in ihr enthaltenen Gegensatzes von Gebrauchswert und Wert.“68

In dem angeführten Austauschprozeß hat sich die Ware B als unmittelbar austauschbar erwiesen, die Ware A dagegen wurde vermittels des Daseins der Ware B, also relativ, ebenfalls austauschbar. Damit haben beide Waren, A und B, ihre gesellschaftliche Anerkennung gefunden, die Ware A indirekt, die Ware B direkt und unmittelbar, diente sie doch als Wertausdruck für die Ware A.

Damit hat sich der Widerspruch zwischen Gebrauchswert und Wert, zwischen konkreter und abstrakter oder zwischen privater und gesellschaftlicher Arbeit in diesem Falle für die Waren A und B gelöst: Beide haben sich als gesellschaftlich notwendig erwiesen, beide sind vom Standpunkt ihrer Produzenten realisiert worden (die Formel: x Ware A = y Ware B ist durchaus umkehrbar). Beide können ihrem ursprünglichen Zweck dienen, nämlich konsumiert zu werden.