Ware und Geld

3.3
Die allgemeine Wertform

Besonders mit der Trennung des Handwerks vom Ackerbau wird der Warenaustausch zur Lebensnotwendigkeit. Es entsteht die auf privatem Eigentum an den Produktionsmitteln beruhende Produktion für den Austausch, die Warenproduktion. Die Arbeitsproduktivität steigt, die Verkehrsverhältnisse verbessern sich, der Handel dehnt sich aus, auch über die Ländergrenzen hinweg. Geschichtlich gleichzeitig entstanden die Voraussetzungen für die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen und die Herausbildung der Klassen. Mit der Ablösung der Urgesellschaft durch die Sklavenhaltergesellschaft, der ersten Ausbeuter- und Klassengesellschaft, werden diese Möglichkeiten zur Wirklichkeit.

Obwohl in der Sklavenhaltergesellschaft die Naturalwirtschaft vorherrscht, muß sie notwendigerweise durch die handwerkliche Produktion freier kleiner Warenproduzenten ergänzt werden. Aus den antiken Sklavenhalterstaaten stammen so die ältesten Münzfunde, die bestätigen, daß es damals eine entwickelte Warenproduktion und -zirkulation gab; eine Warenwirtschaft, die bereits über ein allgemeines Äquivalent, über eine spezielle Geldware verfügt hat.

Die Wertform hatte sich zur allgemeinen Wertform weiterentwickelt.

y Ware B =
z Ware C =
usw. =
} x Ware A

Aus der einfachen Umkehrung der totalen und entfalteten Wertform entstand so eine neue Qualität, die sich darin ausdrückte, daß eine besondere Ware aus der Masse aller anderen Waren herausgehoben wurde und eine spezielle gesellschaftliche Funktion erhielt, nämlich allen anderen Waren als Wertausdruck zu dienen. Es entstand ein allgemeines Äquivalent. Für die Erkenntnis des Wesens des Geldes ist es wichtig, zu wissen, daß die Rolle jede beliebige Ware übernehmen kann, daß sie keineswegs an Edelmetalle gebunden ist. Tatsächlich übernahmen zunächst solche Waren die Funktion des allgemeinen Äquivalents, die bereits eine besondere Rolle im Warenaustausch spielten, also die wichtigsten Produikte des entsprechenden Landes, wie Vieh oder Getreide, mitunter auch wichtige Importprodukte, wie Salz usw.71

Bei Existenz eines allgemeinen Äquivalents, also einer einzigen Äquivalentware, befinden sich alle anderen Waren in der relativen Wertform, sie sind von der Äquivalentform ausgeschlossen. Die Äquivalentware dagegen gilt jetzt als Verkörperung des Wertes. Die in ihr vergegenständlichte Arbeit wird von der Gesellschaft von vornherein als abstrakte, wertbildende und unmittelbar gesellschaftliche Arbeit anerkannt. Die Äquivalentware ist daher jederzeit und gegen alle anderen Waren austauschbar, sie dient als allgemeingültiges Maß zur Messung der Werte aller anderen Waren. Dadurch sind die Waren als Werte, in ihrer Wertgröße, unmittelbar untereinander vergleichbar.

Der allgemeine Wertausdruck ist in den entfalteten Wert- oder Austauschverhältnissen aller Waren untereinander enthalten. Es offenbart sich jetzt sehr deutlich, daß die Wertgegenständlichkeit der Waren, die etwas rein Gesellschaftliches ist, eben nur durch ihre allseitige gesellschaftliche Beziehung ausgedrückt werden kann. Die allgemeine Wertform „gibt der Warenwelt allgemein-gesellschaftliche relative Wertform, weil und sofern, mit einer einzigen Ausnahme, alle ihr angehörigen Waren von der allgemeinen Äquivalentform ausgeschlossen sind“72, schreibt Marx. Mit der einzigen Ausnahme ist die Ware gemeint, die die Funktion des allgemeinen Äquivalents ausübt.

Die allgemeine Wertform ist ein Ausdruck der gesellschaftlichen Beziehungen von Warenproduzenten, die Privateigentümer an Produktionsmitteln sind. Die gesellschaftliche Arbeitsteilung ist fortgeschritten. Die Existenzbedingungen der einfachen Warenproduktion haben sich herausgebildet und gefestigt. Die einfache Warenproduktion ist zu einer Existenzweise der gesellschaftlichen Produktion geworden. Ihr Grundwiderspruch treibt zu einer Entfaltung des Widerspruchs zwischen konkreter und abstrakter Arbeit, zwischen Gebrauchswert und Wert.

Die allgemeine Wertform ist nicht nur eine Ausdrucks- und Entwicklungsform des Widerspruchs zwischen Gebrauchswert und Wert, sondern löst ihn auch, da nun eine Ware mit allen anderen Waren unmittelbar austauschbar ist. Der Wert der Waren gewinnt in einer besonderen Ware, der Äquivalentware, selbständige Existenz. Zugleich schafft die allgemeine Wertform diesen Widerspruch auf neuer Ebene in neuer Gestalt, so daß die Herausbildung der Geldform objektiv notwendig wird.

Die allgemeine Wertform ist insofern noch begrenzt, daß, lokal gebunden, sich verschiedene allgemeine Äquivalente entwickelten.

Von der allgemeinen Wertform zur Geldform ist es nur ein kleiner Schritt. Es war lediglich eine Frage der Zweckmäßigkeit, daß frühzeitig an Stelle der in den einzelnen Ländern unterschiedlichen allgemeinen Äquivalentwaren, wie Vieh, Felle, Muscheln usw., die Edelmetalle traten.